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Die Europastraße E40 als Erinnerungspfad in Europa PDF_web (5,70 MB)
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Zu keiner Zeit fanden in Europa so viele politisch verursachte (Zwangs-)Migrationen zeitlich und räumlich verdichtet statt, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert auf dem Gebiet im heutigen Grenzbereich zwischen Polen und der Ukraine, den historischen Kulturlandschaften Galizien und Wolhynien.
Allein zwischen 1900 und 1945 haben Teile des Gebietes achtmal ihre Staatszugehörigkeit verändert, von der K.u.K-Monarchie und dem russischen Zarenreich, über die Ukrainische Volksrepublik, die Westukrainische Republik, die Zweite Polnische Republik, die Sowjetukraine, Generalgouvernement und Reichskommissariat Ukraine bis zur Neuordnung nach dem 2. Weltkrieg. Und immer waren diese politischen Veränderungen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit (unfreiwilligen) Bewegungen großer Bevölkerungsteile verbunden, als Streitkräfte und Armeen, Revolutionäre und Partisanen, aber vor allem auch als Zivilbevölkerung, die Vertreibung, Umsiedlungen und Deportationen ausgeliefert waren, die stets über den selben Wegekorridor erfolgten (heute als E40 und E50 definiert), der dadurch den Charakter eines sehr heterogenen Erinnerungspfades erhält.
Heute ist das Gebiet befriedet, liegt am Rande der Europäischen Union und der Korridor der Migrationen ist über weite Strecken zur glänzend asphaltierten Europastraße ausgebaut. Entlang dieser Bitumenpiste sind die Spuren der Bewegungen des 20. Jahrhunderts aufgereiht: als Friedhöfe, Denkmäler, Mahnmale, Spuren der Zerstörung und Hinweisschilder. Es existieren zurückhaltende Gedenksteine neben überbordenen Skulpturen, die unvermittelt die Straße überragen. Manche Monumente sind gepflegt, andere vernachlässigt, einige werden von Ortsansässigen betreut, andere durch Deutsche oder Russen, die weit entfernt leben, aufrechterhalten.
Das Besondere und Herausfordernde ist, dass diese Spuren nebeneinander stehen, ohne miteinander zu interagieren. Oft wissen sie nichts voneinander, sind nirgends in ihrer Existenz erfasst, niemand weiß, welche Erinnerungsorte in diesem Korridor überhaupt existieren. Zudem ist der Pfad der Erinnerung von nationalen Semantiken überwölbt, die eine gemeinsame europäische Erinnerungslandschaft, welche die Geschichte des 20. Jahrhunderts reflektieren könnte, in einzelne Bausteine zerbricht und sehr widersprüchliche Interpretationen derselben Ereignisse kommunizieren.
In der nunmehr veröffentlichten Dokumentation wurde eine erste Bestandsaufnahme geleistet, welche die existierenden Erinnerungsorte entlang der Straße zwischen dem polnischen Rzeszów und dem ukrainischen Rivne erfasst und dabei Akteure, Zustand und Rezeption einbezieht.
Das vorliegende Material ist eine Diskussionsgrundlage, keine polnisch-ukrainische Geschichtsschreibung!
Das Projekt wurde gefördert im Rahmen der „Geschichtswerkstatt Europa“ aus Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", unterstützt vom Institut für Angewandte Geschichte der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder