Karneval an der VIA REGIA
Alle Länder an der VIA REGIA feiern durch ihre christliche Prägung mehrere Tage oder den Tag vor der Fastenzeit die Fastnacht in verschiedenen Variationen. Der Ursprung des Karnevals reicht jedoch bis in die Antike zurück.
So wurden bereits in Mesopotamien im Altertum vor 5000 Jahren von den ersten urbanen Kulturen Vorläufer des Karnevals gefeiert. Eine altbabylonische Inschrift aus dem 3. Jahrtausend vor Christus beschreibt das siebentägige Fest, das unter dem Priesterkönig Gudea nach Neujahr als symbolische Hochzeit eines Gottes gefeiert wurde: „Kein Getreide wird an diesen Tagen gemahlen. Die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt und der Sklave an seines Herrn Seite. Die Mächtige und der Niedere sind gleichgeachtet.“ Zum ersten mal wurde hierbei das Gleichheitsprinzip bei großen Festen praktiziert, das bis heute ein charakteristisches Merkmal des Karnevals ist.
In allen Kulturen des Mittelmeerraumes wurden zu Frühlingsbeginn ähnliche Feste gefeiert:
In Ägypten zu Ehren der Göttin Isis, in Griechenland feierte man für Dyonisos Apokries.
Die Römer ehrten vom 17. bis zum 19. Dezember den Gott Saturn bei den Saturnalien.
Hierzu wurde ein öffentliches Gelage veranstaltet, zu dem jedermann eingeladen war. Hinrichtungen fanden während der Festtage keine statt. Sklaven und Herren aßen und tranken gemeinsam mit Myrte bekränzt, tauschten für diese Zeit scherzhaft die Rollen und konnten ihre Meinung frei äußern, ohne eine Strafe fürchten zu müssen. Auch überschütteten sie sich mit kleinen Rosen, was möglicherweise der Vorläufer des heutigen Konfettiregens ist. Während dieser Tage fanden auch farbenprächtige Umzüge statt, bei denen festlich geschmückte Schiffswagen durch die Straßen gezogen wurden. Die Römer wählten einen Saturnalienfürsten (Saturnalicus princeps) der teilweise auch rex bibendi (König des Trinkens) genannt wurde, was auf einen erheblich gesteigerten Weinkonsum während jener Festtage schließen lässt.
Foto: JanManu/Wikipedia
Titel: ErnestoBiondi-Saturnalia
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die neuere Forschung zweifelt allerdings die Termine der Saturnalien oder der Lupercalien als Urspung des Fastnachtsbrauches stark an. Es lässt sich aber annehmen, dass die Parodien des Alltags sowie die freie Meinungsäußerung zu späteren Zeiten als Vorbild für das spätere Brauchtum dienten.
Viele Masken, Figuren und Bräuche lassen vorchristliche Einflüsse, z.B. durch die keltische Religion, vermuten. Bei deren Festen haben die Menschen versucht den Winter, dadurch zu vertreiben, indem sie sich als Geister, Kobolde oder ähnliches verkleideten und mit Stöcken oder Ratschen/Schnarren Krach machten, wie es sich heute bei der schwäbisch-alemannischen Fastnacht wiederfindet.
Foto: Wikipedia by Andreas Praefke
Titel: Narrenzunft Tettnang Hopfennarr Narrentreffen Meßkirch 2006
Lizenz: CC BY 3.0
Durch die anhaltende Skepsis gegenüber den germanischen Theorien, den Kontinuitätsprämissen der NS-Propaganda, wird heute jedoch eine Überlieferung germanischen oder keltischen Brauchtums bezweifelt. Man geht deshalb davon aus, dass sich die Bräuche, die Fastnacht zu feiern, erst wieder im hohen oder späten Mittelalter verbreiteten und jahrhundertelang keine Fastnacht gefeiert wurde.
Im Mittelalter wurden in Kirchen, anlässlich des Epiphaniastages, dem 6. Januar, Narrenfeste gefeiert. Diese waren allerdings keine offiziellen kirchlichen Feste. Hierbei wurden, wie bei den Saturnalien im alten Rom, die Rollen und Privilegien zwischen den niedrigen und den höher gestellten Klerikern getauscht. Man parodierte kirchliche Rituale, bis hin zu einer Pseudopapstwahl. Auch wurde vielerorts ein Kinderbischof, der im Rollentausch dem Pseudopapst ähnlich kam, am 28. Januar, dem Tag der unschuldigen Kinder gewählt. Während der eigentlichen Fastnachtstage wurden Narren und Eselsmessen gefeiert.
In der Speyerer Chronik von 1612 findet sich eine der ältesten Erwähnungen dieses Treibens:
„Im Jahr 1296 hat man Unwesen der Fastnacht etwas zeitig angefangen / darinn etliche Burger in einer Schlegerey mit der Clerisey Gesind (die bediensteten des Bischofs und des Domkapitels) das ärgst davon getragen / hernach die Sach beschwerlich dem Rhat angebracht / und umb der Frevler Bestrafung gebetten.“
Das Domkapitel nahm dieses Ereignis zum Anlass für eine Klage gegen die Bürger und den Stadtrat. Auch wurde den Bürgern die Exkommunikation angedroht. Der entschlossenen Reaktion der Stadt ist es zu verdanken, dass diese Angelegenheit im Sande verlief. Bemerkenswert ist, dass selbst die Androhung solch drakonischer Strafen die damals mit Sicherheit äußerst frommen Bürger nicht von solchen Taten abhalten konnte.
Bei einer weiteren Erwähnung findet sich am 5. März 1341 in einem Eintrag des Eidbuches der Stadt Köln der Begriff „Fastelovend“, der noch bis in die heutige Zeit im rheinischen in Gebrauch ist. Hier heißt es: „Aber der Rat soll zu Fastnacht keiner Gesellschaft Zuschüsse aus dem städtischen Vermögen gewähren.“
Gemeint ist die „Richerzeche“, eine damals machtvolle weltliche Bruderschaft reicher Kölner Bürger.
Am 26. Oktober 1353 verbot der Erzbischof Wilhelm von Gennep den Klerikern und Ordensleuten Wein und Bier auszuschenken oder zu verkaufen, was ein Hinweis darauf ist, dass schon zu dieser Zeit die Fastnacht wohl recht feucht-fröhlich gefeiert wurde.
Wiederholt wurde der „Mummenschanz“ oder die „Mummerei“ verboten, wohl um allzu heftigen Exzessen - auch durch Träger geistlicher Kleidung – vorzubeugen.
Die Kirche duldete diese ausschweifenden Feierlichkeiten, um zu zeigen, dass die civitas diaboli (Staat des Teufels), als welcher die Fastnacht angesehen wurde, wie der Mensch vergänglich ist und Gott am Ende siegreich bleibt. Am Aschermittwoch endete deshalb das Fest, um die Umkehr zu Gott und der civitate Dei (Staat Gottes) zu symbolisieren. Wer am Aschermittwoch trotzdem weiterfeierte, musste mit harten Strafen rechnen.
Durch die Reformation wurde die Fastenzeit vor Ostern in Frage gestellt, wodurch auch die Fastnacht ihren Sinn verlor. In Folge dessen gerieten in vielen protestantischen Gebieten die Fastnachtsbräuche teilweise wieder in Vergessenheit.
Während des Barocks und des Rokoko feierten viele Adlige an ihren Höfen Karneval, wobei sich die Masken an die italienische Commedia dell'Arte anlehnten.
Die wohl erste Weiberfasnacht feierten die Nonnen im Kloster St. Mauritius, als sie im Februar 1729 in weltlicher Verkleidung durch die Hallen tanzten.
1733 versuchten die Jesuiten die Ausschweifungen wärend des Karnevals durch Fastnachtsspeiele zu unterbinden.
Auf Grund der Kriegsgefahr durch den Bayerischen Erbfolgekrieg wurde am 07. Februar 1779 in Köln die Maskerade erneut verboten.
Ein Weiteres mal geschah dies nach dem Einmarsch Napoleon Bonnapartes am 12. Februar 1795. Dieses Verbot wurde erst am 28. Januar 1804 wieder aufgehoben.
Zu dieser Zeit richteten in den Städten vermehrt Handwerkszünfte die Fastnacht aus. Im rheinischen Raum aber feierte zunehmend das Bürgertum die Karnevalsfeste, da durch die französische Besatzung die Zünfte an Bedeutung verloren oder sogar aufgelöst worden waren.
Auch war zu dieser Zeit die Straßenfastnacht nahezu aus den Städten verschwunden. Nach dem Abzug der Franzosen wurde diese Tradition mit der Gründung des „Festordnenden Comites“ im jetzt preußischen Köln wiederbelebt und um den Aspekt der Kritik an der fremden Obrigkeit bereichert.
Im Süddeutschen Sprachraum konnten sich ältere Karnevalsformen erhalten. Bis heute wird deshalb in Baden-Württemberg noch zwischen schwäbisch-alemannischer Fastnacht und Karneval unterschieden. Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich aber auch hier der Karneval durchsetzen. Erst nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde eine Rückbesinnung zu den alten Traditionen gefordert und mit der Gründung der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte 1924 abgeschlossen.
Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus kam es aber auch schon wieder zu einem zwischenzeitlichen Ende der ursprünglichen Fastnachts- und Karnevalsfeiern.
Die Nationalsozialisten verwendeten Karneval, Fastnacht und Fasching für ihre propagandistischen Zwecke. So war ein Kernaspekt der Fastnacht, die Kritik am herrschenden Regime nicht möglich, da sich die Veranstalter und Teilnehmer an die politischen Verhältnisse anpassen mussten.
Da die Nationalsozialisten fürchteten lächerlich gemacht zu werden und das närrische Treiben zu Opposition, Widerspruch, Insubordination, Aufständen und Verschwörungen führen würde, standen sie Karneval und Fastnacht anfangs kritisch gegenüber.
Der rheinische Karneval ließ sich aber problemlos gleichschalten und für die Propaganda nutzen, da die Karnevalisten kaum Widerstand leisteten.
Lediglich wenige trauten sich dies, wie Karl Küpper, der zum obligatorischen Hitlergruß verlautete: „Su huh litt bei uns dr Dreck em Keller!“ - „So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!“ Für diesen Ausspruch wurde er zu lebenslangem Redeverbot verurteilt.
Damals waren antisemitische Mottowagen und Lieder, wie „Die Juden wandern uss“ vom Kölner Musiker Jean Müller, zu den Rosenmontagsumzügen an der Tagesordnung.
Am 1. März 1933 berichtete der „Westdeutsche Beobachter“: „Der Zug hatte nichts Improvisiertes, Volksfremdes, wie das in den Nachkriegsjahren unter den mannigfachen Einflüssen liberalistisch-marxistischer Strömungen der Fall gewesen war. Kein überladener Schmuck, kein verlogener Prunk, sondern urwüchsiger Humor, volkstümlich in der Darstellung, passte er sich ganz natürlich in den Rahmen des Volksfestes ein“.
Die Funkenmariechen, bis dahin durch Männer dargestellt, wurden ab 1936 durch Frauen ersetzt, da dies dem deutschen Männertum widersprach und um sowohl homosexuelle, als auch transvestitische Anspielungen, die damals unerwünscht waren, auszuschließen.
Nach Ende des 2. Weltkrieges konnten sich die Karnevalsvereine auf ihre Traditionen besinnen und das Fest wieder in seinen ursprünglichen Formen ohne Propagandanutzen feiern.
Da die Fastnacht ein katholisch geprägtes Fest ist, zog sie erst in den 1990er Jahren, mit dem damals aufkeimenden Fastnachtboom, wieder in protestantisch geprägte Gegenden ein.
Nach dieser mit Sicherheit noch nicht annähernd vollständigen Zusammenfassung über die Geschichte, Hintergründe und Herkunft der Fastnacht, folgt nun ein Streifzug durch Europa, der auf einzelne Fastnachtsfeste in den Ländern entlang der VIA REGIA eingeht.
Er beginnt im Westen, in Santiago de Comostela und endet in der Ukraine wo man mit Masnitza den Winter verabschiedet und die Ankunft des Frühlings feiert:
O Antroido ist die Bezeichnung, die der Karneval im spanischen Galicien hat. Santiago de Compostela, der westliche Endpunkt der VIA REGIA als Pilgerweg zum Grab des heiligen Jakobus d.Ä. begeht dieses urwüchsige Fest am Faschingsdienstag mit Verkleidungen, Masken und Umzügen. Am Aschermittwoch, dem Beginn der Fastenzeit findet eine satirische Prozession statt, die auf der Plaza de O Toural mit der Verbrennung des Meco endet, einer Puppe die den Karneval verkörpert. Während des Festes essen die Galicier traditionelle Gerichte, wie den galicischen Eintopf, „filloas“ (Pfannkuchen), Kochschinken und „cacheiras“.
Foto: Wikipedia by Luis Miguel Bugallo Sánchez
Titel: Santiago GDFL o entroido 37
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Frankreich ist ein Land, in dem kaum Karneval gefeiert wird. Aber den Karneval in Dunkerque (Dünkirchen, ebenfalls an der VIA REGIA gelegen) gibt es schon seit dem 18. Jahrhundert. Die Reeder organisierten damals ausgelassene Kostüm-Feste mit sehr viel Gesang, um den Fischern Mut zu geben, die im Frühjahr wieder auf’s Meer hinaus mussten. Diese „Fischer“-Tradition gibt es heute noch. Vom 31. Januar bis zum 14. März feiern die Einwohner Dünkirchens, aber auch zahlreiche Besucher, besonders aus Belgien und England, den „Fischer-Karneval“. Dieses Fest hängt eng mit dem „Mardi-Gras“ zusammen, dem „Fetten Dienstag“, also den letzten Stunden vor der Fastenzeit. Wer hier nur zuschauen möchte, dürfte es schwer haben, da der „Fischer-Karneval“ ein Fest zum mitmachen ist. Verkleidete Gruppen von Freunden, Vereinen oder eines Viertels, die sogenannten „Bandes“ schieben sich während des Umzuges gegenseitig durch die Gegend, was als „chahuts“ bezeichnet wird. Musikbands, auch Fischer-Bands genannt spielen wochenlang um die Wette. Den Höhepunkt des Karnevals bildet der Heringswurf (le jet de harengs) am historischen Rathaus der Stadt, der an einen der wichtigsten früheren Wirtschaftszweige Dünkirchens, den Heringsfang (später der Kabeljaufang vor Island) erinnert. Nach dem Wurf riechen die „Bandes“ nicht nur nach Bier und Schweiß, sondern auch nach Fisch.
Foto: © Ville de Dunkerque
Der Karneval in dem belgischen Städtchen Binche, ca. 60 km südlich von Brüssel und damit leider nicht unmittelbar an der VIA REGIA, wurde 2008 von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Dieses Karnevalsfest ähnelt der alemannischen Fastnacht.
Wichtigste Figur des seit 1395 gefeierten bunten Treibens mit seinen minutiösen Traditionen voller Symbolkraft sind die berühmten, stets aus Binche stammenden „Gilles“, die sich nur in Begleitung eines Trommelspielers fortbewegen dürfen, sich niemals in der Öffentlichkeit hinsetzen und niemals betrunken sein dürfen. Das traditionelle Fest beginnt am Fastnachtssonntag und findet seinen Höhepunkt am Faschingsdienstag. An diesem Morgen ziehen um die 1000 „Gilles“, „Pierrots“, „Paysans“ und „Arlequins“ durch die Straßen und beginnen den Tag mit dem traditionellen Austern- und Champagnerfrühstück. Der Zug bewegt sich dann weiter in Richtng Grand-Place, zum morgendlichen „Rondeau“-Tanz mit der Berühmten Bincher Wachsmaske. Darauf folgt ein weiterer Umzug, zu dem die „Gilles“ ihre imposanten Straußenfederhüte tragen und Blutorangen verteilen. Die Gruppen ziehen bis abends durch die Straßen und tanzen gegen 21 Uhr den letzten „Rondeau“, während das Feuerwerk und das Trommeln bis in die frühen Morgenstunden des Aschermittwochs andauert.
Foto: Marie-Claire/Wikipedia
Titel: Binche - Les Gilles
Lizenz: CC BY 3.0
In Deutschland ist der Karneval mittlerweile ganz gut „durchorganisiert“, z.B. im „Bund Deutscher Karneval e.V.“ Dieser ist für seine mehr als 5000 Mitgliedsvereine Ansprechpartner und Servicestation in einem und sagt über sich selbst: „Unsere Vereine... legen Wert darauf, das närrische Volk zu erreichen und Freude in unsere Zeit zu bringen. Dabei haben sie große Möglichkeiten auch über ihre Jugendarbeit, unendlich vielen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu geben. Karneval ist eben mehr als schnelles Vergnügen. Karneval ist Kulturgut unseres Volkes...“. Die bekanntesten deutschen Karnevalhochburgen sind mit Köln und Mainz beide an der VIA REGIA gelegen.
Foto: Rolf Hahn/Wikipedia
Titel: Vipticket-rosenmontag-2006
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Silvester und Neujahr sind das Startzeichen für den Karneval in Polen, einer Zeit ungetrübter Unterhaltung und unzähliger Tanzveranstaltungen. Der letzte Donnerstag des Karnevals heißt „Fetter Donnerstag“, an dem alle Polen Berliner Pfannkuchen (pączki) essen. Die Karnevalsfeiern sind weit weniger komerziel als am Rhein, dafür aber viel authentischer. Besonders in ländlichen Gegenden, wie den südlichen Gebirgsregionen, in Masowien oder der Kaschubei können Besucher dies erleben. Der Karneval hat auch in Polen eine jahrhunderte alte Tradition. An den Herrscherhöfen wurden prächtige Maskenbälle veranstaltet, die einfache Bevölkerung feierte den Karneval mit nahrhaften Speisen, Tanz und Gesang, wobei sich christliche Formen mit altpolnischem und urslavischem Brauchtum vermischten. Moderner wird der Karneval in der Krakauer Oper oder der Danziger Ostseephilharmonie gefeiert.
Die bekannteste Veranstaltung ist der Goralen-Karneval in Bukowina Tatrzanska bei Zakopane, rund 80 Kilometer von Krakau und der VIA REGIA entfernt. Die Goralen, die dort heimischen Bergbewohner können auf eine wilde Geschichte zurückblicken, da sie als nomadisierende Hirten oftmals Konflikte mit der Obrigkeit austrugen. Dies spiegelt sich noch im heutigen Karneval wieder, zu dem sie farbenprächtige Kostüme mit furchteinflößenden Masken tragen. Die Narren belagern die Straßen und fordern Wegzoll von den vorbeifahrenden Autos, aber auch Sternsinger und Tanzgruppen sind dann anzutreffen.
Die Goralen kleiden sich zu diesem Fest mit ihrer Feiertagstracht und führen den „Taniec Zbojnicki“, den Räubertanz auf, der mit Beilen ausgeführt wird und ein Relikt der wilden Vergangenheit dieser Volksgruppe ist. Der Karneval endet in der Nacht vom Faschingsdienstag zum Aschermittwoch mit einer großen Feier, die auch „Heringsfeier“ genannt wird, da an diesem Abend Hering in verschiedensten Varianten serviert wird - eine Ankündigung der nahenden Fastenzeit.
Eine zentrale Figur der Karnevalszeit ist die mythologische Gestalt der Marzanna, die mit Winter, Nacht und Tod assoziiert wird. In einigen Orten wird alljährlich eine in ein altes Kleid gehüllte Strohpuppe in einer Prozession umhergetragen und anschließend verbrannt oder ins Wasser geworfen. Dadurch soll der Winter ausgetrieben werden.
Foto: potrawyregionalne.pl
Die litauische Bezeichnung für Faschingsdienstag heißt „Užgavėnės“, was nichts anderes bedeutet, als „vor der Fastenzeit“. Bei den Litauern steht der Gedanke im Vordergrund, den Winter mit diesem Fest zu vertreiben und den Frühling herbei zu rufen. Zu den verschiedenen Ritualen verkleiden sich die Litauer meist als Tiere oder merkwürdige Kreaturen und tragen dabei teils aufwendige, schaurige Masken. In diesen Aufzügen tanzen und singen sie dann und bitten um „Blynai“ (Eierkuchen/Pfannkuchen), dem typischen Gericht an „Užgavėnės“, welches Glück fürs kommende Jahr bringen soll. Ein litauisches Sprichwort besagt, dass man 12 „Blynai“ essen soll, um in jedem der 12 folgenden Monate genug zu Essen zu haben, sowie um die Fastenzeit zu überstehen. In Form von „Morė“, einer großen Strohpuppe, die den Winter symbolisiert, wird alles Schlechte verbrannt, was den vorangegangenen Winter geschehen ist. Während „Morė“ verbrennt, Tanzen die Menschen um die Puppe herum und singen: „Žiema, žiema, bėk iš kiemo!“. Dies bedeutet übersetzt: „Winter, Winter, verzieh dich von meinem Hof!“. Bei einem weiteren Brauch bekämpfen sich „Lašininis“, eine Breite dicke Figur, die für den Winter steht und „Kanapinis“, eine dünne Figur die das Frühjahr symbolisiert. „Kanapinis“ gewinnt diesen Kampf und kann so den Winter vertreiben. Die Besucher des Festes können sich bei verschieden Wettkämpfen messen, wie Tauziehen, Sackhüpfen, Nägel hämmern, Baumstämme sägen, auf Stelzen laufen oder dem Stemmen eines Kartoffelsacks.
Die Kinder gehen verkleidet, wie an Halloween, von Haus zu Haus und singen Lieder, in denen sie um „Blynai“, Kakao und Süßigkeiten bitten.
„Užgavėnės“ wird zwar in ganz Litauen gefeiert, besondere Bedeutung hat das Fest aber im Städtchen Rumšiškės, das hierfür im ganzen Land bekannt ist.
Foto: youthreporter.eu
In Belarus feiert man Maslenitza (Масьленіца), zu Deutsch „Butterwoche“. Diese Bezeichnung rührt daher, dass es den Gläubigen in dieser letzten Woche vor der orthodoxen Fastenzeit bereits untersagt ist, Fleisch zu essen, der Verzehr von Milch, Milchprodukten, Eiern und Fisch hingegen noch erlaubt ist. Maslenitza ist ein sehr ausgelassenes Fest, bei dem nochmal ausgiebig der Völlerei gefröhnt wird. Traditionell werden hierbei kleine, runde Pfannkuchen verspeist, die „Bliny“ genannt werden und die Sonne symbolisieren. Es gibt sie mit und ohne Füllung. Das Fest dauert eine Woche und ist mit dem Karneval zu vergleichen. Jeder Tag dieser Woche hat seine eigene Bedeutung. Der traditionelle und vollstandige Verlauf dieser Woche ereignete sich wie folgt:
Am Montag, dem Tag des Willkommens hießen vor allem die Kinder die Maslenitza willkommen und junge Leute bauten aus Stroh und Stofffetzen die Maslenitza-Puppe.
Der Dienstag ist der Tag der Spiele. Man fuhr Schlitten, rutschte von vereisten Hügeln und vertrieb sich die Zeit mit allerlei Schneespielen. Auf den Straßen sorgten Spielleute mit lustigen Straßenveranstaltungen für gute Laune. Die Stadtbevölkerung veranstaltete Bälle oder ging ins Theater, während sich die jungen Männer eine Braut und die Jungfrauen einen Bräutigam suchten.
Am Mittwoch, dem Tag des Leckermäulchens, wurde „Bliny“, Wodka und Bier im Überfluss aufgetischt. Auch luden die Schwiegermütter ihre Schwiegersöhne ein, wofür sich diese aber am Freitag bei ihren Schwiegermüttern mit einem „Bliny-Essen“ revangieren mussten.
Mit dem Donnerstag, Tag der Schwelgerei oder „Großer Donnerstag“ genannt, waren viele Bräuche verbunden. Am häufigsten wurden die im letzen Jahr frisch vermählten Paare gefeiert. Bei der „Demonstration der Liebe“ versammelten sich die Paare in ihren Hochzeitskleidern zu beiden Seiten der Straße, küssten sich unter Anfeuerung der Zuschauer und drückten ihre Liebe zueinander aus. Auch gab es den Brauch sie in den Schnee einzugraben oder damit zu bewerfen. Großer Beliebtheit erfreuten sich bei der Landbevölkerung auch die Küssbesuche, welche die Dorfbewohner bei den Bräuten abhielten. Jeder Gast wurde mit einem großen Krug Bier begrüßt. Nachdem dieser gelehrt worden war, musste die Braut den Besucher drei mal Küssen.
Am Schwiegermutterabend luden die Schwiegersöhne ihre Schwiegermütter zum Bliny-Essen ein, wobei diese alles, was dafür benötigt wurde, wie z.B. eine Schüssel, einen großen Löffel und eine große Pfanne, der Gastgeberfamilie am Abend vorher vorbeischicken mussten. Der Schwiegervater sendete einen Sack Mehl und ein Gefäß mit Butter.
Der Samstag ist der Tag des Abschiedes oder der Schwägerinnenabend, bei dem sich die Verwandten gegenseitig besuchten, beschenkten und noch einmal ausgiebig miteinander Feierten. Die unverheirateten jungen Frauen und Männer errichteten Schneeburgen, versuchten diese gegenseitig zu erobern und nutzten dieses Spiel um miteinander zu flirten.
Der Tag der Vergebung schließt letzlich das Fest am Sonntag ab. An diesem Tag wurde die Maslenitza-Puppe unter scherzhaftem Wehklagen von der Bevölkerung aus dem Ort getragen und bei Gesang verbrannt. Auch die Reste der vorangegangenen Festessen wurden in das Feuer geworfen. Um eine gute Ernte einzufahren, wurde die Asche auf den Feldern verstreut. Das Begräbnis der Maslenitza wurde von Gelächter, Frühlingsrufen und der Verspottung der Maslenitza begleitet. Bei der Verbrennung der Maslenitza wird symbolisch, wie beim litauischen „Užgavėnės“, alles schlechte des vergangenen Winters verbrannt und der Frühling begrüßt.
Foto: Unbekannte Quelle
Auch in der Ukraine feiert man Maslenitza - Masnitza (Масниця) auf Ukrainisch. Das Fest hat den gleichen Ablauf wie die Maslenitza und endet mit dem Verbrennen einer Großen Strohpuppe, der Masnitza. Nach ukrainischem, russischem und weißrussischem Brauch war es früher üblich zu,
…essen bis zum Schluckauf,
saufen bis zur Heiserkeit,
singen bis zur Stimmlosigkeit,
tanzen bis zum Umfallen.
Foto: Unbekannte Quelle
Quellen:
Wikipediaeintrag über die Fastnacht
Touristeninformation über den O Antroido
Wikipediaeintrag über den Karneval in Dünkirchen
Touristeninformation über den Karneval in Dünkirchen
Blogeintrag auf „franzblog.blog.de“ über den Karneval in Dünkirchen
Touristeninformation über den Karneval in Binche
Artikel über den Karneval in Polen aus „Das Polen Magazin“
Artikel auf „Youthreporter.eu“ über „Užgavėnės“
Wikipediaeintrag über die russische Form der Maslenitza
Wikipediaeintrag über Maslenitza
Artikel auf „Russlandjournal.de“ über Maslenitza