Franzosen und Kosaken in Freiensteinau
Die „Hohe Straße“ war in der Gegend um Freiensteinau (Hessen) bis 1805 eine Geleitstraße der Freiherren Riedesel, soweit sie durch deren Gebiet führte. Als Fernstraße wurde sie auch von durchziehenden Truppen benutzt, die die nahegelegenen Dörfer oft mit ungelegenen Besuchen bedachten. Das Heer Napoleons soll nach der Völkerschlacht bei Leipzig auf seiner Flucht der alten Straße gefolgt sein. Ein französischer Soldat starb in der Ortschaft Salz und soll unter einem großen Stein beim Schulacker begraben liegen. Zwei Franzosen blieben in Salz zurück, der eine wurde Schweinehirt, der andere Ortsdiener. Beim plötzlichen Abzug ließen die Franzosen, die verängstigt waren, da Holzfäller im Wald mit Pulver (Wurzel-)Stöcke sprengten, eine Feldschmiede und einen Wagen mit zwei Mauleseln zurück. Sie stahlen aber auch einem Bauern ein Pferd. Auf dem Wagen, den sie bald nachholten, soll die Kriegskasse gewesen sein.
In eiliger Flucht versuchte eine französische Abteilung Kavallerie und Infanterie mit Proviant und Munitionswagen sowie Kanonenlafetten, über Giesel, Neuhof, Birstein nach Hanau zu entkommen. Diese Abteilung traf in Freiensteinau in Eile und Unordnung ein und schlug in der „Bech“, einem Wiesengrund, der sich in Richtung Salz und Radmühl hinüberzieht, ein Lager auf. In der Nacht begab sich eine Anzahl beherzter Freiensteinauer auf den Windberg, zündete dort Feuer an und feuerte Gewehre ab, so dass die Franzosen flohen, weil sie glaubten, die Preußen rückten an. Sie ließen eine Menge Wagen und Gepäck zurück. So wurde die Chaise eines französischen Generals mit Silbergeschirr und einem chirurgischen Besteck erbeutet, das noch lange dem damaligen „Oarze“ seinen Dienst tat. Auch wurden Brot, Mehl, acht Säcke Schuhe und eine große Anzahl Waffen, Munition, und andere Gegenstände in Besitz genommen.
Acht Tage später kamen preußische Landwehr und Kosaken, die die Auslieferung der gemachten Beute verlangten, jedoch nur wenig erhielten. Ein französischer Karabiner jener Zeit, im Besitz des Pfarrers Georg Bindewald, tat noch 1858 seinen Dienst, indem der Pfarrer damit einem Apfeldieb die Beine voll Schrot schoss. Eine erbeutete Feldschmiede war in Salz noch lange in Gebrauch.
In den ersten Tagen des November 1813 rückte eine Abteilung Russen und Preußen, auf der Verfolgung der Franzosen begriffen, hier ein. Amtmann Ebel war ihnen bis Weidenau entgegengegangen, wurde aber von den Kosaken bis auf Hemd und Unterhosen ausgezogen und kehrte so nach Freiensteinau zurück.
Von Paul Greb, geboren 1851, wurde erzählt: Die Franzosen lagerten am Meisters Rain. Da ertönte abends ein Schuss am Windberg von einem Freiensteinauer Bürger, dessen Name unbekannt blieb. Die Franzosen verließen eilig ihr Lager und ließen die Bagage (Ausrüstung) zurück. Daher stammten in manchen Familien Zinnteller, Geld und dergleichen.
Als die Russen im „Blauen Wirtshaus“ lagen, und der Bürgermeister in die Stube trat, zwangen sie ihn, seine Stiefel auszuziehen.
Bei Linke wurde ein Kind geboren. Als die Frau noch im Kindbett lag, prophezeite ein Russe, dem Kind würde durch Wasser oder Feuer ein Unglück zustoßen. Wirklich soll es in seinem 4. Lebensjahr in einem Born ertrunken sein.
Ein total besoffener Russe erhielt zu seiner Ernüchterung von seinen Kameraden 24 Eimer voll Wasser über den Kopf geschüttet mit den Worten:“Schnaps gut, Bruder!“
Von Johann Merz (Beckerlensches) wurde mitgeteilt: Ihm wurde von seiner Goth erzählt, bei den Russendurchmärschen erhielten sie eine starke Einquartierung, denen es sehr gut schmeckte. Wegen des guten Essens hätten sich auch die Soldaten des Nachbarhauses bei ihnen einquartiert. Bei ihrem Weggang hätten sie ihnen als Dank ein Pferd zurückgelassen, das sie in der Scheune im Stroh versteckt hätten. Dasselbe aber sei bei den weiteren Durchmärschen von Russen so unruhig geworden, dass sie es nicht behalten konnten und wieder abgeben mussten. Es seien auch keine Russenpferde durch die Hohl zu bringen gewesen, weil es dort gewannert (gespukt) hätte.
(Quelle: Aus der Chronik von Freiensteinau von Peter Hofmann, Lehrer in Freiensteinau)