Die Strecke Krakau – Lublin – Vilnius war ein seit dem 14. Jahrhundert von den jagiellonischen Königen oft benutzer Weg
Jaroslaw der Weise war als Großfürst der Kiever Rus im 11. Jahrhundert einer der mächtigsten Herrscher in Europa.
An Gediminas, den mächtigen Großfürsten Litauens (um 1275 – 1341) erinnert ein Denkmal in der Hauptstadt Vilnius.
Die Jagiellonenstraße (Szlak Jagielloński) - Teil des VIA REGIA-Kulturstraßenprojektes
Die Partnerschaft zwischen dem VIA REGIA-Projekt und dem in Lublin (Polen) ansässigen Verein „Szlak Jagielloński“, der seit
einigen Jahren die „Jagiellonenstraße“ von Kraków nach Vilnius erforscht und touristisch entwickelt, hat bereits vor längerer
Zeit dazu geführt, dass in den Veröffentlichungen des Europäischen Kultur- und Informationszentrums in Thüringen zur VIA REGIA
als „Kulturstraße des Europarates“ die Definition des VIA REGIA-Korridors erheblich erweitert wurde.
Das Projekt „VIA REGIA – Kulturstraße des Europarates“ ist von Anfang an davon bestimmt gewesen, dass es sich auf die namengebende
Altstraße bezieht, die zwischen Eisenach (D; Thüringen) und Breslau (Wrocław , PL, Dolnośląskie) unter diesem Namen dokumentiert
ist, jedoch deren Fortsetzung in Richtung Osten und Westen ebenso einbezieht, wie moderne Verkehrswege, die in ihrem Grundverlauf
den alten Straßen folgen.
Die allgemein übliche Beschreibung des weiter führenden Wegeverlaufs der historischen VIA REGIA in Richtung Osten nennt Kiev in
der heutigen Ukraine als östliches Ziel. Das begründet sich aus der Zeit zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert. 988 wurde Kiev
von dem zum Christentum übergetretenen Großfürsten Wladimir dem Heiligen ausgebaut und als Zentrum der Kiever Rus befestigt.
Im 11. und 12. Jahrhundert war Kiev mit etwa 50.000 Bewohnern nach Konstantinopel die größte Stadt Europas. Wladimir der Heilige
(960 – 1015) und und sein Sohn Jaroslaw der Weise (979/86 – 1054) pflegten intensive Beziehungen nach Westeuropa, es ist für
diese Zeit ein intensiver Fernreiseverkehr in beide Richtungen belegt. 1240 jedoch wurde Kiev von Mongolen zerstört, wovon sich die
Stadt Jahrhunderte lang nicht erholen konnte.
In den folgenden Zeiten standen weite Gebiete der ehemaligen Rus, so auch das Gebiet um Kiev, unter mongolischer (tatarischer)
Oberherrschaft. Seit dem 14. Jahrhundert entwickelte das Fürstentum Moskau (seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts Großfürstentum)
jedoch eine Vormachtstellung innerhalb der Gebiete des späteren Russland.
Gleichzeitig entwickelte sich das Großfürstentum Litauen im 14. Jahrhundert zu einer europäischen Großmacht, die sich – ebenso wie
das Großfürstentum Moskau – als legitimer Nachfolger der Kiever Rus betrachtete, weil sich viele ostslawische Fürsten teils freiwillig,
teils durch Unterwerfung dem jeweiligen Machtzentrum angeschlossen hatten.
Die Stadt Kiev gehörte zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert teils zum Königreich Polen, teils zum Großfürstentum Litauen bzw.
zur polnisch-litauischen Union und war, bis die Stadt 1767 an das russische Zarenreich fiel, Hauptstadt der Woiwodschaft Kiev
(Województwo kijowskie) und letztendlich nur von regionaler Bedeutung.
Diese Entwicklung der politischen Geschichte führte u.a. dazu, dass es in jener Zeit erhebliche Veränderungen der Wegeführung im
Verkehr zwischen West- und Osteuropa gab.
Bis zur Gründung der „Lubliner Union“, in der sich 1569 die bereits seit 1385 bestehende „Personalunion“ (der litauische Großfürst
war gleichzeitig König von Polen) in die „Realunion“ (die polnisch-litauische Adelsrepublik als staatliche Einheit) umwandelte,
war die litauische Hauptstadt Wilna (Vilnius) als administratives Zentrum eines ausgedehnten Großreiches ein wichtiger Knotenpunkt
im europäischen Ost-West-Austausch. Bereits der Staatsgründer Gediminas hatte zu Beginn des 14. Jahrhunderts Kaufleute, Handwerker
und Wissenschaftler aus aller Herren Länder in die neu gegründete Hauptstadt eingeladen; es wurden über Polen enge wirtschaftliche
Beziehungen nach Westeuropa aufgebaut.
Wer also zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert aus Westeuropa in den europäischen Osten reisen wollte, tat dies bevorzugt von
Breslau (Wrocław) oder Krakau (Kraków) aus über Lublin – Wilno (Vilnius), zumal sich mit dem zunehmenden Erstarken des Großfürstentums
Moskau, das im 15. Jahrhundert unmittelbar an Litauen grenzte, andere Reiseziele entwickelten als das Mittelalter sie bevorzugte.
Insofern entspricht die Erweiterung der Wege, die Bestandteil des VIA REGIA-Kulturstraßenprojektes sind, um die Routen Breslau
(Wrocław) – Lublin – Wilno (Vilnius) bzw. Krakau (Kraków) – Lublin – Wilna (Vilnius) der historischen Entwicklung des europäischen
Ost-West-Austausches und gewinnt dem Projekt zwei weitere Länder hinzu: Lietuva (Litauen) als neues EU-Mitglied und Беларусь (Weißrussland),
weil die historischen Wege von Lublin nach Wilna (Vilnius) entweder durch Brest (Брэст) oder durch Hrodna (Гродна) verlaufen sind.
Gegenwärtig offen ist, welche Bedeutung für das VIA REGIA-Verständnis als Sinnbild europäischen Ost-West-Austauschs die nachfolgenden
Entwicklungen erlangten: Die am Ende des 16. Jahrhunderts erfolgte Verlagerung des politischen Mittelpunktes Polens von Krakau (Kraków)
nach Warszawa (Warschau), die Gründung des russischen Zarentums 1547 und die Erhebung Moskaus zur Hauptstadt des Reiches, später dann
die Entstehung neuer Machtzentren wie Berlin oder Wien, die für die europäischen Ost-West-Beziehungen von außerordentlicher Bedeutung waren.
zurück zur News-Übersicht