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Die Messen der Champagne

Troyes war neben den drei Städten Lagny, Provins und Bar-sur-Aube in den Grafschaften Champagne und Brie im Laufe des 13. Jahrhunderts durch seine alljährlichen Messen zu einem „Welthandelszentrum“ aufgestiegen. Seit dem 9. Jahrhundert bereisten vermutlich vereinzelt Kaufleute sowohl den seit der Römerzeit bestehenden Handelsweg zwischen der Nordsee und dem Süden Italiens als auch die Ost-Westroute VIA REGIA. Beide seit dem Frühmittelalter an Bedeutung gewinnenden Verkehrs- und Handelswege durchkreuzten das Gebiet der Champagne, so dass ein regelmäßiger Durchzug von Fernhändlern aus verschiedenen Gebieten Europas als wahrscheinlich anzunehmen ist. Diese zwar unregelmäßige, doch kontinuierliche Präsenz von Kaufleuten in der Champagne bewog die Grafen der Champagne aus dem Hause Blois wohl dazu, Handelsmessen in großem Rahmen, und mit besonderen Privilegien ausgestattet zu veranstalten, um einen dauerhaften Handelsverkehr in ihren Herrschaftsgebieten zu garantieren. Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts sind Messen in Provins, Troyes, Lagny und Bar-sur-Aube urkundlich bezeugt. In einigen Quellen wird die Entstehung der Messen in Troyes auf das 5. Jahrhundert oder sogar auf die Römerzeit zurückgeführt.

Seit etwa 1150 wurde durch den Grafen der Champagne ein fester und gleichmäßiger Turnus festgelegt: sechs Messen, jeweils zwei in Troyes und Provins, und jeweils eine in Bar-sur-Aube und Lagny, folgten in kurzen Abständen aufeinander, so daß die Champagne fast das ganze Jahr über zur Stätte eines nur durch wenige Wochen unterbrochenen Messlebens wurde.

Jede Messe, die an die zwei Monate dauerte, begann mit einer Vorwoche, während der alle Waren unverzollt ein- und ausgehen konnten. Danach folgte zehn Tage lang die allgemeine Tuchmesse. Schließlich gab es terminlich fixierte Tage für den Verkauf von Leder- und Pelzwaren oder Gewichtswaren. Zwei Wochen Zahlzeit, während der alle Schulden beglichen werden sollten, schlossen die Messe ab. Dieser lange Messezyklus war besonders für Händler und Kaufleute, die lange und risikoreiche Reisewege zurücklegen mußten, vorteilhaft. Unter diesen Bedingungen versuchten größere Gruppen auswärtiger Kaufleute, sich eigene Häuser und Niederlassungen zu errichten, um in sicherer Umgebung Schutz und Ruhe zu finden. Auch deutsche Kaufleute besaßen eigene Handelsniederlassungen auf den Messen der Champagne, etwa in Troyes und Bar einen „Hof der Deutschen“ (court aux Allemands). In Provins ist aus dem Jahre 1211 sogar eine eigene „Gasse der Deutschen“ erwähnt (vicus Allemannorum). Zu Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts gelang es den deutschen Kaufleuten erstmals, ihre Handelsbeziehungen nach Osteuropa wesentlich zu verbessern und sich eine Monopolstellung gegenüber Händlern aus Skandinavien, Rußland, Friesland oder Flandern zu sichern. Den wirtschaftlichen Anreiz dazu lieferte das Bedürfnis, den in Westeuropa steigenden Bedarf an Ostwaren, vor allem an Wachs und Pelzen, zu befriedigen. Im allgemeinen ist festzuhalten, daß "der Verkehr der Deutschen auf den Messen der 4 Städte der Champagne vom 12. bis zum 14. Jahrhundert hinein (...) zweifellos die erste auf breiter Grundlage erfolgende wirtschaftliche Fühlungnahme zwischen den beiden aufstrebenden Wirtschaftsgebieten Frankreich und Deutschland" war.

Etwa zu jener Zeit, als sich neben flandrischen und italienischen Kaufleuten auch die Deutschen in der Champagne einfanden, waren die Messen der Champagne bereits in einem entscheidenden Wandel begriffen. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verloren sie zunehmend ihren Charakter als '“internationale“ Warenumschlagplätze und entwickelten sich statt dessen zu Finanz- und Kapitalmärkten von internationaler Bedeutung. Der umfangreiche und dauerhafte Warenverkehr und -handel auf den Messen der Champagne, besonders der Handel mit Tuchen und Textilien, hatten den Geldverkehr wesentlich gefördert und zur ständigen Anwesenheit von Geldwechslern beigetragen. Jeder Verkaufsperiode folgte eine Zahlungsperiode, in der Schulden getilgt und Verpflichtungen aus früheren Messen nachgekommen werden mußte. Seit dem 12. Jahrhundert wurden solche Zahlungen jedoch nicht mehr durch Bargeld auf der jeweiligen Messe beglichen, sondern immer häufiger mit sogenannten „Wechselbriefen“ getätigt. Mit solchen „Wechselbriefen“, die wahrscheinlich von italienischen Kaufleuten aus Siena und Florenz eingeführt worden waren, konnten sich die Kaufleute nicht nur den Vorteil verschaffen, ohne Bargeld zu reisen. Ihnen wurde durch den „Wechsel“ auch ermöglicht, Kredite für ihre Messegeschäfte aufzunehmen und sie später mit Zinsen wieder zurückzuzahlen.

Die Zahl der getätigten Wechsel- und Kreditgeschäfte stieg seit Mitte des 13. Jahrhunderts auf den Champagnemessen in bedeutendem Maße an, so daß der „bargeldlose Zahlungsverkehr“, der Kapitalverkehr mittels Wertpapieren, den Warenverkehr auf den Messen bald bei weitem übertraf. Die Messen der Champagne gestalteten sich somit zunehmend von bedeutenden Warenumschlagplätzen zu regelrechten Zentren des internationalen Finanzgeschäftes, die wesentlich zur Modernisierung des Geldverkehrs in Europa beitrugen. An der Wende zum 14. Jahrhundert aber begann der Einfluß und die Bedeutung der vier Messestädte zu schwinden. An die Stelle der vier Städte Troyes, Bar-sur-Aube, Provins und Lagny traten hauptsächlich die wirtschaftlich erstarkenden Handelszentren Paris und Brügge.

Quelle: Ingrid Gielesberger „Die Messen der Champagne“, Universität Salzburg


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