Johann Wolfgang Goethe -
Wegebaudirektor des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach

Ein Bericht anläßlich seines 250. Geburtstages

Stefan Keßler M.A.
Bundesanstalt für Straßenwesen
Bergisch-Gladbach, im Juli 1999

Johann Wolfgang Goethe war nicht nur ein gefeierter Dichter, sondern auch Staatsbeamter. Im kleinen Herzogtum Sachsen-Weimar- Eisenach, wohin er aus Frankfurt auf Einladung des Herzogs gekommen war, gehörte der promovierte Jurist schon bald der Regierung an. Von 1776 bis 1786 - dem Jahr seiner Italienischen Reise - war Goethe in diesem Zusammenhang unter anderem als Leiter der unter ihm neu organisierten Wegebaudirektion verantwortlich für den Straßen- und Wegebau im Herzogtum.

Die 250. Wiederkehr seines Geburtstages war Anlaß, an diese bisher wenig bekannte Seite der Staatstätigkeit Goethes zu erinnern. Vor allem anhand der Originalquellen werden die Probleme, die er zu bewältigen hatte, und die Grundzüge seiner Arbeit auf diesem Gebiet geschildert. In dem folgenden Text werden auch der Rahmen seiner Tätigkeit - das Herzogtum, der Herzog, der Mitarbeiter Castrop und das Geheime Consilium – beschrieben, damit die Einzelheiten der Amtstätigkeit Goethes verständlich sind.

Die Tätigkeit in der Wegebaudirektion ist bisher kaum Gegenstand der Goethe-Forschung geworden, obwohl die Funktion Goethes als Staatsmann stärker als früher in den Blick genommen wird. Detailliertere Hinweise auf seine Verantwortung für den Straßen- und Wegebau wird man beispielsweise noch im 1998 erschienenen Goethe-Handbuch vergebens suchen. Von großem Wert ist hingegen eine schon 1933 veröffentlichte Schrift von Hans Bürgin, die detailliert auf die Tätigkeiten Goethes in den Wegebau- und Kriegskommissionen des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach eingeht.

Das Interesse an der Tätigkeit Goethes als Wegebaudirektor ist für die Geschichte des VIA REGIA-Korridors insofern besonders gerechtfertigt, als in dieser Zeit die Befestigung der Straßen nach Erfurt und Jena geplant und teilweise realsiert wurde, was in der Folge dazu führte, dass der Ost-West-Verkehr nunmehr durch Weimar lief und die Strecke von Erfurt über Ollendorf – Buttelstedt mehr und mehr an Bedeutung verlor.

Inhalt:
lesen Der Rahmen
lesen Das Herzogtum Sachsen - Weimar - Eisenach
lesen Die Straße und das Geleitwesen
lesen Herzog Carl August
lesen Das Geheime Consilium
lesen Der Wegebaudirektor
lesen Die Wegebaudirektion
lesen Goethes Ernennung und seine Aufgabenbereiche
lesen Die Zusammenarbeit mit Castrop
lesen Grundzüge der Tätigkeit
lesen Ordnung schaffen
lesen Die Wende in der Ausgabenpolitik
lesen Beispiele für Baumaßnahmen
lesen Das Ende


Der Rahmen

Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach

Kurzabriß der politischen Geschichte

Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war eines jener Fürstentümer, die, einem spöttischen on-dit zufolge, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wie einen „Flickenteppich“ aussehen ließen. Es war Teil der wettinischen Besitzungen in Thüringen, die 1485 an Kurfürst Ernst von Sachsen und seine Nachkommen gefallen waren und deshalb auch als „ernestinische“ Länder bezeichnet werden. 1572 schuf die Erfurter Teilung der Erbmasse Johann Friedrich des Mittleren einen Weimarer Landesteil unter Herzog Johann Wilhelm. Wilhelm von Weimar erhielt 1640 außerdem den Eisenacher Teil des Herzogtums Eisenach-Coburg. 1641 wurde mit dem Rezeß von Gotha das Herzogtum Weimar neu geschaffen. Eisenach wurde zunächst ein eigenständiges Herzogtum. Als Herzog Albrecht jedoch 1644 starb, wurde das Land unter den Herzögen von Weimar und Gotha wieder aufgeteilt. Weimar wurde 1672 noch um einen Teil des Herzogtums Altenburg erweitert, dessen Herrscher kinderlos verstorben war. Außerdem war 1660 aus der aufgeteilten Grafschaft Henneberg das Ländchen Ilmenau dazu gekommen.

Das Herzogtum umfaßte zur Zeit Goethes etwa 36 Quadratmeilen (war somit etwa halb so groß wie der heutige Landkreis Weimar) mit rund 100.000 Untertanen. Neben dem Kerngebiet um die Stadt Weimar gehörten hierzu auch die Stadt Eisenach und Umgebung sowie die Exklaven Allstedt und Ilmenau. Zu beachten ist auch das Gut Burgau, das zunächst gemeinsamer Besitz von Weimar, Hessen-Kassel und Sachsen-Meiningen war, bis Goethe seinen Herzog zum Aufkauf der beiden anderen Gutsanteile bewegen konnte. Die eher geringe politische Bedeutung des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach wird auch dadurch deutlich, daß sich sein Herrscher in offiziellen Dokumenten gar nicht nach ihm benannte. Stattdessen führte er den Titel eines „Herzogs zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg, auch Engem und Westphalen“.

Zusammenfassend läßt sich Goethes lakonische Feststellung über seinen Landesherrn im Venezianischen Epigramm von 1790 anführen: „Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine; / Kurz und schmal ist sein Land, mäßig nur, was er vermag“.

Die Straßen und das Geleitwesen

Zwei alte und wichtige deutsche Handelswege zogen durch Thüringen:

Während Erfurt somit an zentraler Stelle lag und zu einem Handelszentrum werden konnte, wurde Sachsen-Weimar-Eisenach kaum von diesen Straßen berührt. Lediglich auf dem Teilabschnitt Martinsroda-Ilmenau-Frauenwald führte die „Nürnberger Straße“ durch Weimarisches Gebiet. Ihr Parallelweg immerhin führte durch die Exklave Allstedt. Auch die „Hohe Straße“ berührte das Herzogtum kaum.

Für die Weimarer Wegebauverwaltung waren aber nicht nur die Straßen von Bedeutung, die durch das Herzogtum selbst führten. Der Herzog war Inhaber des thüringischen Geleitregals (d. h.: des Rechtes auf die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren). Seit dem 17. Jahrhundert lag das Geleit nicht nur auf den Hauptverkehrs-, sondern auch auf den „Schleichwegen“ durch die thüringischen Fürstentümer und war seit 1741 ungeteilt in Weimarer Besitz. Zu diesem sogenannten Obergeleit kamen allerdings noch die Abgaben an die jeweiligen Landesherren hinzu. Erst unter Napoleon 1. wurde das Geleit 1806 in ein Chaussee-Geld umgewandelt.

Das Obergeleit war eine wichtige Einnahmequelle für die Weimarer Staatskasse, erbrachte es doch etwa 1761 mehr als 12.680 Rthlr. Problematisch waren allerdings zwei Umstände:



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Herzog CarI August

Mit seinem Landesherrn, Herzog Carl August, verband Goethe eine Freundschaft, die erst dazu geführt hatte, daß er nach Weimar gelangt war. Dem 1757 geborenen Erbprinzen war der Dichter zuerst in Frankfurt am 11. Dezember 1774 begegnet. Einer Einladung des gerade am 3. September 1775 in der Nachfolge seiner Mutter, Herzogin Anna Amalia, an die Macht gekommenen Fürsten folgend, kam Goethe am 7. November 1775 an den weimarischen Hof. Carl August setzte den jungen Juristen gegen den Widerstand seines Hofes und der alteingesessenen Beamtenschaft als Mitglied seines engsten Beratungsgremiums durch. Für dieses Vertrauen zeigte sich Goethe noch Jahre später dankbar: „Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König / Um mich bekümmert, und Er war mir August und Mäcen“, heißt es im bereits zitierten Epigramm.

Gleichzeitig nahm der Herzog aber davon Abstand, bestehende Institutionen aufzulösen und altgediente Staatsdiener zu entlassen: an der Spitze der obersten Regierungsbehörde (des Geheimen Consiliums) blieb, wie schon seit 1772, Jakob Friedrich v. Fritsch.

Hatte sich Goethe noch zu Beginn seiner Weimarer Zeit begeistert an dem zum Teil recht wilden Treiben des jungen Herrschers beteiligt, lernte er bald auch die Schattenseiten kennen: Die ursprünglich vom Herzog beabsichtigten und eingeleiteten Reformen (Steuerreform, Verbesserung des Schulwesens unter Aufsicht Herders, Vorantreiben des Straßenbaus und vieles andere mehr) blieben stecken und trotz einiger kleiner Fortschritte weitgehend unverwirklicht. Dazu trug bei, daß die kostspieligen Passionen, auf die der Fürst nicht verzichten mochte (Hunde, Pferde, Jagden) die schon vorher nicht übermäßig gefüllten Kassen endgültig leerten.

Carl August war gleichzeitig nicht ohne politische Visionen: Er wollte das dahinsiechende Heilige Römische Reich Deutscher Nation reformieren und den kleinstaatlichen Partikularismus überwinden. Dem Fürsten eines eben jener Kleinstaaten blieb allerdings der Erfolg versagt.

1788 trat Carl August in den preußischen Militärdienst als Generalmajor ein. Von diesem kehrte er ernüchtert und enttäuscht im August 1794 nach Weimar zurück. In den darauffolgenden Jahren blieb er in den kriegerischen Auseinandersetzungen neutral, konnte aber ein Einbeziehen seines Landes in den napoleonischen Machtbereich und die zwangsweise Mitgliedschaft im Rheinbund nicht verhindern. Dennoch gelang es ihm, den Bestand seines Staates zu erhalten und auf dem Wiener Kongreß 1815 sogar einen Territorialgewinn, der die Fläche seines Gesamtstaates um das Doppelte vergrößerte, zu erzielen. Der auf dem Wiener Kongreß außerdem zum Großherzog erhobene Fürst war in den Jahren nach den „Befreiungskriegen“ einer der wenigen Landesherren, die ihrem Land die versprochene Verfassung gaben: Im Mai 1816 lag das „Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach“ vor. Die metternichsche Unterdrückungspolitik in der Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse wurde jedoch auch in Sachsen-Weimar-Eisenach durchgesetzt.

Carl August starb am 14. Juni 1828 auf der Rückfahrt von einer Reise nach Berlin.

Das Geheime Consilium

Den formalen Rahmen für Goethes amtliche Tätigkeit bildete seine Mitgliedschaft im Geheimen Consilium, der höchsten Behörde des Herzogtums. Am 11. Juni 1776 war er zum Geheimen Legationsrat ernannt worden und wurde am 25. Juni 1776 in das Amt eingeführt. In diesem Kollegium hatte er Sitz und Stimme - nominell bis zu dessen Auflösung 1815; seine regelmäßige Mitarbeit endete jedoch schon vor Antritt der Italienischen Reise 1786. Am 5. September 1779 wurde Goethe zum Geheimen Rat befördert.

Weitere Mitglieder waren der seit 1772 amtierende Präsident des Consiliums, der Wirkliche Geheime Rat (mit dem Titel Exzellenz) Jakob Friedrich Freiherr v. Fritsch, und der seit 1772 dem Consilium angehörende Geheime Assistenzrat (ab 1779: Geheimer Rat) Christian Friedrich Schnauß, seit 1784 auch Johann Christoph Schmidt (Geheimer Assistenzrat bis 1788, dann Geheimer Rat). Aufgabe des erst am 31. Januar 1756 mit der ersten Session ins Leben getretenen und auf der Grundlage eines am 8. September 1759 erlassenen Schreibens der Herzogin Anna Amalia an den damaligen Vorsitzenden des Gremiums arbeitenden Consiliums war die Beratung des Herzogs in allen diesem zur Entscheidung vorbehaltenen Fragen, zum Teil auch die Erledigung in herzoglichem Auftrag. Den Geheimen Räten waren nicht jeweils Themengebiete zur eigenständigen Bearbeitung und Entscheidung zugewiesen, sondern sie bereiteten die ihnen als Berichterstatter zugeteilten Materien bis zur Fntscheidungsreife auf, brachten diese in die Sitzungen ein und waren später für die Umsetzung der kollegial gefaßten Beschlüsse zuständig.

Dem Geheimen Consilium arbeitete die Geheime Kanzlei zu. Alle weiteren Behörden im Herzogtum - einschließlich der Kommissionen (z. B. Wegebau-, Bergwerks-, Kriegskommission) — waren dem Geheimen Consilium nachgeordnet.


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Der Wegebaudirektor

Die Wegebaudirektion

Für die Maßnahmen, die den Erhalt und die Ausweitung des Straßenbestandes im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach betrafen, war die Wegebaudirektion zuständig. Sie unterstand dem Geheimen Consilium und der für die Finanzverwaltung zuständigen Kammer. Consilium und Kammer entschieden über größere Baumaßnahmen, die laufenden Reparaturen verantwortete der Leiter der Wegebaudirektion, der Wegebaudirektor. Bis zu Goethes Ernennung war dies in Personalunion der Kammerpräsident (bis 1782: Johann August Alexander v. Kalb).

Der Wegebaudirektor war zuständig für die Verwaltung, die Anordnungen, Aufsicht und die ordnungsgemäße Verwendung und Abrechnung der Gelder sowie für die jährliche Berichtslegung. Ihm zur Seite stand ein technischer Fachmann, der Ingenieur (bis 1785: der Artillerie-Hauptmann Jean Antoine Joseph de Castrop, später der bisherige Wegebaukommissar Daniel Wilhelm Brunnquell). Dieser war für die Planung und Aufsicht der konkreten Arbeiten zuständig. Die Wegebauarbeiten wurden von Wegeknechten verrichtet, ungelernten Arbeitern, deren Entlohnung gering war. Über sie führten im Auftrag des Ingenieurs die Wegeaufseher (später: Wegekommissare) die Aufsicht.

Goethes Ernennung und seine Aufgabenbereiche

Der Geheime Legationsrat Dr. Goethe war nach seinem Eintritt in das Geheime Consilium zunächst nur mit einem Spezialgremium, der Bergwerkskommission, beschäftigt gewesen (seit dem 18. Februar 1777). Zu Beginn des Jahres 1779 übernahm er die Leitung zweier weiterer Kommissionen: der Kriegskommission und der Wegebaudirektion.

Verbunden mit Goethes Ernennung zum Wegebaudirektor war die Auflösung der Personalunion mit dem Amt des Kammerpräsidenten. Die oben beschriebene Zuständigkeitsverteilung namentlich zwischen Wegebaudirektion und Kammer blieb jedoch bestehen.

Die genauen Aufgaben des neuen Wegebaudirektors wurden sowohl im Ernennungsschreiben vom 19. Januar 1779 als auch in einem Befehl an die herzogliche Kammer festgelegt:

Am 23. Februar 1779 wurde Goethes Zuständigkeitsbereich noch um das Pflasterbauwesen in der Residenzstadt Weimar und um die Aufsicht über die um diese Stadt führenden Promenaden erweitert.

Das Arbeitsfeld des neuen Wegebaudirektors läßt sich somit wie folgt überblicksartig zusammenfassen:



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Die Zusammenarbeit mit Castrop

Der wichtigste Helfer Goethes in der Wegebauverwaltung war der Ingenieur und Hauptmann der Artillerie Jean AntoineJoseph dc Castrop (1731-1785). Dieser wird von der Goethe-Forschung offenbar kaum zur Kenntnis genommen, obwohl ihn Goethe auch zu privaten Hilfeleistungen heranzog. Castrop war in Kassel Ingenieur geworden und hatte in Eisenach im Straßenwesen gearbeitet, bevor ihn Herzog Ernst August Constantin 1756 nach Weimar berief. Dort wurde er 1768 auch zum Artilleriehauptmann ernannt, also zum Offizier jener Waffe, deren Beziehungen zum Straßenbauingenieurwesen am engsten sind.

Schon unter dem früheren Direktor der Wegebaudirektion, dem Kammerpräsidenten v. Kalb sen. waren viele Aufgaben der Wegebauverwaltung (Jahresrechnung, Berichterstattung) auf Castrop übergegangen. Kalbs Sohn, Johann August Alexander v. Kalb, gab im August 1776 die Verantwortung für die Wegebaudirektion vollständig an Castrop ab. Mit dieser alleinigen Zuständigkeit, die durch das Geheime Consilium schon unter Goethes Mitwirkung im März 1777 erneut bestätigt wurde, war Castrop allerdings auch allen Anfeindungen und Hofintrigen ausgesetzt, ohne daß er die Hilfe eines Vorgesetzten hätte erlangen können. Deshalb scheint er die Ernennung Goethes im Januar 1779 zum Wegebaudirektor sehr begrüßt zu haben, zumal er diesen auch schon vorher kennen- und offenbar auch schätzen gelernt hatte. Zwischen Wegebaudirektor und Ingenieur entwickelte sich bald eine Arbeitsteilung, die in den Grundzügen bereits im Ernennungsschreiben für Goethe vorgezeichnet worden war. Mit Castrop wurden die Planungen für die Straßenbauarbeiten vorgenommen, der Ingenieur überwachte dann die Ausführung. In den Worten Bürgins: „Goethe übernahm die Aufgabe des Anordnens, de Castrop die des Ausführens. Selbst der Jahresbericht, die Hauptaufgabe des Direktors, wurde von de Castrop konzipiert, von Goethe durchgesehen, korrigiert und unterzeichnet.

Castrop konnte sich seinerseits darauf verlassen, daß ihm sein Vorgesetzter den Rücken freihielt und sich immer wieder für ihn im Geheimen Consilium oder gegenüber dem Herzog einsetzte.

Die Zusammenarbeit endete mit dem Tode Castrops am 20. August 1785. Mit seinem Nachfolger in der Funktion eines Straßenbauingenieurs, dem bisherigen Wegebaukommissar Daniel Wilhelm Brunnquell, konnte sich kein vergleichbar enges Verhältnis entwickeln, da Goethe bereits im Juli 1786 nach Karlsbad abreiste (Beginn der Italienischen Reise).

Grundzüge der Tätigkeit

Eine Beschreibung aller Einzelheiten, welche die Tätigkeit Goethes als Wegebaudirektor betreffen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb sollen hier nur die wichtigsten Grundzüge und Prinzipien beschrieben werden, nach denen Goethe vorging.

Ordnung schaffen

Den jährlichen Berichten, die Goethe über die Tätigkeit der Wegebaudirektion erstattete, ist das ständige Bemühen des neuen Direktors zu entnehmen, Ordnung in der Wegebauverwaltung des Herzogtums zu schaffen und diese zu zentralisieren, um sie zu einer größeren Effizienz und zu einer zweckgerichteten Verwendung der Haushaltsmittel zu bringen.

Ein großes Hindernis dabei war das ungeklärte Verhältnis zum Erfurter Obergeleitsamt. Dieses konnte einigermaßen selbständig Straßenbauarbeiten anordnen, wobei es allerdings Rücksprache mit dem Weimarer Kammerkollegium zu nehmen hatte. Die Kosten wurden aber nicht einem Etat des Obergeleitsamtes, sondern dem der Wegebaudirektion angelastet.

Im Zuge seiner Ernennung war Goethe dem Obergeleitsamt vorgesetzt worden: Diese solle „ohne Euer Vorwißen, (...) nichts an Land-Straßen bauen laßen.“ Die Unklarheit dieser Formulierung (was heißt „bauen“? Waren damit auch Reparaturen gemeint?) führte jedoch dazu, daß Goethe bereits im Jahresbericht für 1779 bittere Beschwerde über die Frfurter Behörde führen mußte: Diese habe Reparaturausgaben zu Lasten der Wegebaukasse abgerechnet, ohne daß die entsprechenden Maßnahmen vorher von der Wegebaudirektion genehmigt worden seien. Infolgedessen werde der Weimarer Wegebauetat über Gebühr mit Ausgaben belastet, die die Landstände bei ihrer Zustimmung zum Staatshaushalt so nicht vorgesehen hätten, weil umso geringere Mittel für die Straßenarbeiten im eigentlichen Weimarer Herrschaftsgebiet übrig blieben. Außerdem seien hierdurch auch unnötige Kosten verursacht worden, wie bei einer Inspektion gemeinsam mit Castrop habe festgestellt werden müssen. Goethe schlug dem Herzog deshalb vor, daß die Reparaturkosten für die Erfurter Geleitstraßen nicht mehr der Weimarer Wegebaukasse angerechnet, sondern vom Obergeleitsamt von dessen Einnahmen aus dem Geleitsgeld bestritten werden sollten. Zudem solle die Erfurter Behörde erneut angewiesen werden, „hinführo ohne Autorisation nichts zu veranstalten oder zu bezahlen.“

Auch die Kammer müsse Anweisung erhalten, daß die ihr unterstehenden Rentbeamten nicht nach eigenem Gutdünken und ohne vorherige Genehmigung der Wegebaudirektion Baumaßnahmen anordnen und bezahlen sollten, weil sonst nur Verwirrung entstünde und eine ordentliche Rechnungslegung nicht möglich sei.

Der Bericht enthält insgesamt sehr aufschlußreiche Informationen über Goethes Programm und Schwierigkeiten. Die ihm beigefügten Dispositionen machen außerdem die Alternativen, die sich aus seiner Sicht boten, deutlich:

Nach Abzug der Mittel, die für die Bezahlung der Erfurter Reparaturmaßnahmen und auf ähnliche Zwecke verwendet werden mußten, blieben ihm - so die erste Disposition - nur vergleichsweise geringe Mittel für eigentlich von ihm geplante Bauten. Fielen jedoch, wie von ihm vorgeschlagen, diese Verwendungszwecke fort, konnte er, wie er es in der zweiten Disposition demonstrierte, wesentlich höhere Summen für die einzelnen Straßen veranschlagen.

Am 16. und 18. August 1780 erließ Herzog Carl-August die von Goethe erbetenen Befehle. Allerdings führte Goethe auch in seinem Jahresbericht für 1784/85 Klage darüber, daß die Kosten für Baumaßnahmen an den dem Obergeleitsamt unterstehenden Straßen weiterhin der Weimarer Wegebaukasse zur Last fielen, obwohl sie doch in die „Incumbenz“ (Verantwortung) des Obergeleits gehörten und „eigentlich zur Absicht die Vermehrung der Geleitsrevenüen“ hätten.

Der Zentralisierung des Wegebaus in Weimar dienten die auf Goethes Betreiben hin erlassenen Weisungen an die zuständigen Beamten in den einzelnen Gemeinden, für alle von ihnen geplanten Straßenreparaturen zuerst die Zustimmung der Weimarer Wegebaudirektion einzuholen. Erst wenn diese „Autorisation“ vorlag, durfte mit den Arbeiten begonnen werden. Anderenfalls mußte die Gemeinde selbst für die Kosten aufkommen. Gleichzeitig versuchte Goethe, das Personal der Wegebauverwaltung stärker in die Verantwortung für die Feststellung und Beseitigung schadhafter Straßenstellen zu nehmen. Er schlug dem Herzog vor, den dem Obergeleitsamt unterstellten Geleitsreitern, die ohnehin die Straßen regelmäßig beritten, sei zu befehlen, Straßenschäden sofort der Behörde zu melden. Die Wegebauarbeiter müßten stärker „zu ihrer Schuldigkeit ermuntert“ werden. Der Wegebau wurde zum Teil personell neu organisiert: Für jeden der drei Chausseebauten (Erfurter Straße, Jenaer Straße, Ilmenau) bestellte Goethe jeweils einen Aufseher. Dabei wurden die bisherigen beiden Wegebaukommissare (Jahr und Lippert, später Brunnquell) für je eine Chaussee „spezialisiert“, für die dritte kam ein weiterer Aufseher (Rieth [oder Riethen]) hinzu. Später wurde das Straßenbauwesen in fünf Distrikte eingeteilt mit je einem Aufseher und der notwendigen Zahl von Bauarbeitern (Wegeknechten), die jeweils einen Abschnitt zugewiesen erhielten.

Angestellte, die ihre Pflicht zufriedenstellend taten, konnten damit rechnen, belobigt und befördert zu werden. So ließ Goethe etwa den Wegebauaufseher Johann Carl Wentzel „in Rücksicht auf die Uns angerühmte, von demselben bey der über sich habenden Aufsicht bißhero bewiesenen Geschicklichkeit, Treue und Fleiß“ zum Wegebauverwalter mit einem höheren Gehalt ernennen. Sogar ein im Dienst ergrauter Arbeiter (der Wegeknecht Eckart) erhielt den Vertrauensposten des für die Weimarer Geleitsstraßen verantwortlichen Wegekommissars.

Andererseits verlangte Goethe, daß die Angestellten für die Bezahlung auch die notwendigen Leistungen erbrachten. Dem beim Erfurter Straßenbau beschäftigten Hauptmann Scheyer ließ er die erbetene zusätzliche Vergütung „der außer seinen ordentlichen Dienst-Verrichtungen (...) gefertigten Neben-Arbeiten“ verweigern, weil dieser „auch zur Zeit, wenn an der Erfurtischen Strase nicht gearbeitet worden, er Diäten erhalten, und es also anzusehen als wenn er in würcklicher Besoldung gestanden, und mithin für geringe Nebenarbeiten keine besondere Bezahlung verlangen könne“.

Für den Willen, Ordnung zu schaffen, zeugt auch das von Goethe eigenhändig entworfene Formular für die Abrechnung der Kosten, die beim Bau und der Reparatur des Straßenpflasters in Weimar bzw. den damit verbundenen Arbeiten entstanden waren.


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Die Wende in der Ausgabenpolitik

Die Einnahmen des Wegebauetats setzten sich somit zusammen aus den Bewilligungen der Weimarer und der Jenaer Landstände sowie den erhobenen Wegegeldern.

Gerade die Landstände achteten jedoch darauf, daß die Ausgaben des Staates für den Straßenbau vor allem den heimischen Straßen zugute kamen, und waren deshalb nur unwillig bei der Bereitstellung von Mitteln zur Unterhaltung auch der Erfurter Geleitstraßen. Hierauf wies Goethe schon im Bericht für 1779 hin, um seine Position im Streit mit dem Erfurter Obergeleitsamt zu stärken. 1781 weigerten sich die Landstände, einer Erhöhung ihrer Beiträge zugunsten des Chausseebaues im Eisenacher Landesteil zuzustimmen, so daß der Herzog es bei den ursprünglichen „aus der Landschafts-Casse verwilligten Quanti“ belassen mußte.

Bei den Ausgaben mußten schon vor der ersten Baumaßnahme zunächst Belastungen aus dem Vorjahr (1779 durch einen Vorschuß in Höhe von 1.441 Rthlr. 22 gr. 1 pf., den Castrop 1778 erhoben hatte) und die sogenannten ordinairen (gewöhnlichen) Posten, also die Gehälter Castrops und der weiteren Wegebau-Angestellten sowie Kosten des Baustalles, der Fourage etc. (1779 waren dies 1.610 Rthlr.39) abgezogen werden.

War schon der damit für die eigentlichen Straßenbauarbeiten verbleibende Betrag nicht besonders üppig, kamen im Laufe des Jahres, wie der bereits oben abgedruckte Bericht vom 15.6.1780 zeigt, sowohl unvorhergesehene Straßenreparaturen hinzu (die Beseitigung böser Flecken) als auch die Belastungen durch die nicht vorher genehmigten, aber dennoch durchgeführten Maßnahmen des Erfurter Obergeleitsamtes. Hinzu traten noch die Unterhaltskosten für das Pferd des Landkammerrates Wetcken.

Im Jahre 1781 konnte Goethe dadurch, daß er im wesentlichen keine neuen Bauarbeiten in Angriff nehmen, sondern durch Reparaturen das bestehende Straßennetz sichern ließ, trotz dieser Belastungen einen stolzen Überschuß in Höhe von mehr als 1191 Rthlr. erwirtschaften:

„[...] Aus der Tabelle sub sig. & und der Beylage sub Nro 1 veroffenbahret sich, daß der Land-Straßen-Bau-Cassen-Bestand deductus Deducendis im Jahre 1780 2366 rthir. 22 gr 8 5/6 pfg. betragen und daß von dieser Summe nach der aus dieser Tabelle gezogene Bilance und der Anlage sub Nro. 3 ein Vorrath von 642 rthlr 20 gr 7 1/3 pfg. mcl. derer 83 rthlr 20 gr 9 1/2 pfg. so besage des Rechnungs-Auszuges 1...] von denen 400 rthlr für die Unterhaltung des Bau-Stalles im Jahre 1780 retübriget und zu dieser Summe geschlagen worden, fürs Jahr 1780 in Cassa v erblieben verblieben ist. Mit denen zu diesem Vorrath kommenden Beyträgen, [beläuft sich insgesamt] die Einnahme für das lezt verfloßene Jahr auf 5446 rthlr 4 gr 7 1/3 pfg. und‚ das nach Abzug derer ordinairen zu bezahlenden Posten zu verbauen verbliebene quantum bestand [...] in 4141 rthlr. 12 gr 7 1/3 pfg. Lezteres leget weiter zu Tage, daß auf keine derer Rubricirten Bau-Veranstaltungen das dazu disponirt gewesene quantum verwendet, sondern nur 2950 rthlr 6 gr 8 pfg würklich verbauet worden. Da mithin 1191 rthlr 5 gr 111/3 pfg weniger als ausgesezt gewesen, ausgegangen, so kommt also der Land-Straßen-Bau-Casse diese vorräthig verbliebene Summe für das gegenwärtige Jahr 1782 zu Gute.

Bereits 1782 deutet sich jedoch eine Wende an: Goethe mußte erkennen, daß das, was er im Wegebau und an anderer Stelle einsparte, von seinem Herzog mit leichter Hand für sinnlose Unternehmungen ausgegeben wurde. Bitter schrieb er an Charlotte v. Stein: „Der Herzog ist vergnügt und gut, nur finde ich den Spaß zu teuer, er füttert 80 Menschen in der Wildnis und den Frost, hat noch kein Schwein, weil er im Freien hetzen will, das nicht geht, plagt und ennuyiert die Seinigen, und unterhält ein paar schmarotzende Edelleute aus der Nachbarschaft, die es ihm nicht danken. ... Gott weiß, ob er lernen wird, daß ein Feuerwerk um Mittag keinen Effekt tut.“

Deshalb konzentrierte er sich nunmehr auf die Durchführung notwendig erscheinender Baumaßnahmen und kümmerte sich nur noch wenig um die Etatgrenzen. So wurden 1783 beispielsweise 2.140 Rthlr. 18 gr 111/8 pfg. mehr verbaut als vorgesehen. Dafür konnten erhebliche Fortschritte namentlich bei den Baumaßnahmen an den Chausseen vermeidet werden.

Im Bericht für 1784 und 1785, dem letzten in Goethes Amtszeit, ist wieder die Notwendigkeit einer Etatüberschreitung in Höhe von 1.000 Rthlr. dargelegt. Anders als im vorhergehenden Bericht aber werden nicht so sehr die Baufortschritte dargestellt als vielmehr die Zwangslage, in der sich die Wegebaudirektion befand:

„daß auch die dießjährigen Kräfte der Wege-Bau-Caße nicht hinreichend seyn, alles und jedes [aus dem Verzeichnis der ursprünglichen Vorhaben] zu vollenden, wird [...] manches in der Ausführung zurücklaßen müßen“, obwohl noch nicht einmal alle notwendigen Arbeiten in der Aufstellung der Vorhaben enthalten waren, „wie zum Beispiel der Weg durch die Stadt Lobeda, worüber die Fuhrleute schwerste wiederholte und gegründete Klagen geführt, und das Ober-Geleitsamt zu Erfurth schon Vorstellung gethan, daß es mit den aus gesezten 300 rthl nicht reichen könne.“


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Beispiele für Baumaßnahmen

Die Bedeutung bequemer Straßen, auf denen sowohl Reiter und Fußgänger als auch Fuhrwerke sicher reisen konnten, für Handel und Verkehr lag auf der Hand. Hierfür zu sorgen war aber nicht zuletzt durch die geographischen Bedingungen sehr erschwert: In dem bergigen Land mußten die Straßen und Wege häufig in den Flußtälern angelegt werden, wo sie im Frühling und Herbst infolge des Schmelzwassers oder von Regenfällen überschwemmt und stark beschädigt wurden. Der meist nicht gepflasterte, sondern sandige und lehmige Boden wies immer wieder große Löcher auf, in die Fuhrwerke geraten konnten, was mit erheblicher Lebensgefahr für Fuhrmann und Pferde verbunden war:

„Dem Fuhrmann Heinrich Schreiber aus Neußig, welcher mit 4 Pferdten 2 Kam gemeiner Farbe von Warza nach Westhausen gefahren, und sich platterdings durch das böse und morastige Loch durchschmeißen wollen, war deßen Stell-Pferdt darinnen stecken geblieben, die Last des Karns hatte selbiges nebst dem darauf sitzenden Fuhrmann vollends untergedrückt, so daß kaum vom Fuhrmann noch etwas, vom Pferdte aber gar nichts mehr zu sehen gewesen. Die Landgespahne in Westhausen hatten nun auf Mittel und Wege bedacht seyn müßen, und dann endlich den Mann und das Pferdt noch halb lebend heraus ... gebracht und den Karn, welcher kaum einspännige Ladung gehabt, mit 8 Pferdten durch geschleppt und solchen nach Westhausen geführet.“

Andere Wege wiederum verliefen am Bergrand und wiesen Stellen mit erheblicher Absturzgefahr aus, weil, wie Castrop in einem Bericht vermerkte, „die Räder der Fuhrwercke und besonders der Kutschen kaum 6 Zoll vom Rand einer ungeheuren Tiefe hingehen, welches umso gefährlicher ist, da auf der Seite des precipice die Räder ungleich tiefer gehen alß auf der Seite des Ackerrandes und also bey dem geringsten Schlag der Herabsturz des Geschirrs bewürckt werden muß.“

Wurden Straßen nicht repariert oder ausgebessert, drohte der Handelsverkehr durch das Herzogtum auf andere Strecken auszuweichen, wodurch der heimischen Wirtschaft großer Schaden entstanden wäre; andererseits konnten gute Straßen auch neuen Handelsverkehr anziehen.

„Eine Straße, welche alsdann die größte Aufmerksamkeit verdient, ist diejenige, welche durch den Saal-Grund, von Rothenstein nach Domnburg geht. Es sind über verschiedene böse Flecken wiederholte Klagen geführt worden und man will behaupten, daß deshalb viele Fuhren sich durchs Voigtland und das Altenburgische gezogen hätten. (...)

Höchst nützlich für Jena würde es seyn, gedachte Straßen in Stand zu setzen, wenn die Post von Buttelstedt herein nach Weimar seyn wird, da dann wegen der Chaussee von Jena hier her gar manches Fuhrwerk sich von Naumburg den Saal-Grund heraufschlagen würde, besonders wenn man Altenburgischen Seits nur weniges auf den Weg durch das Amt Camburg wenden wollte.“


Vor diesem Hintergrund lassen sich die Baumaßnahmen, die Goethe zu veranlassen hatte, in drei Gruppen einteilen:

a) Ausbesserungsarbeiten
b) größere Reparaturen
c) Chausseebau
d) das Straßenpflaster in der Stadt Weimar.


Die Ausbesserungsarbeiten, mit denen nach Möglichkeit (das heißt vor allem: soweit es der Kassenbestand zuließ) die bei der täglichen Inspektion der Straßen durch den zuständigen Wegeknecht festgestellten Schäden behoben werden sollten, bestanden „in Zuhackung der Gleißen, Ableitung des Wassers, Ausräumung der Hohlen, Ausfüllung eines Sumpf-Flecks pp“ Die von Kutschen und Karren in den ungepflasterten Straßenuntergrund gefahren Geleise mußten somit eingezogen und möglichst mit Steinen ausgeschlagen werden, damit sich kein Wasser in ihnen sammeln konnte. Löcher und sumpfige Stellen mußten aufgefüllt werden. Für diese Arbeiten ließ Goethe Steinvorräte „an die gefertigten Straßen-Striche von einer kleinen Distanz zur anderen in Haufen anlegen“ .

Das Wasser wurde auch durch die Anlage von Seitengräben abgeleitet, die gleichzeitig die Fuhrleute darin hinderten, von der Straße auf die Acker auszuweichen. Im Winter waren die Straßen außerdem vom Schnee zu reinigen. Größere Reparaturen konnten nur bei günstiger Witterung durchgeführt werden. Manchmal erlaubte es der Kassenbestand jedoch nicht, sie bis zum nächsten Winter zu vollenden, „vielmehr man wieder Willen sich genöthiget siehet, mitten in der Arbeit stille zu stehen und somit eine nicht vollendete Reparatur, bey jedesmahligen Ausgang der schlimmen Witterung im Früh-Jahr, einen wiederum eben so großen Aufwand als in dem vergangenen Jahre erfordern mag.“ Größere Reparaturen waren neben dem Austrocknen von Straßen ihr Beschütten mit Kies oder - bei wichtigeren Straßen - ihr Ausschlagen mit Steinen sowie die Pflasterung von Hohlen oder Mulden. Bei größeren Straßen wurden zur Vermeidung von Schäden infolge von Regengüssen Erlenschwellen in die Straße eingelegt.

Der Chaussee-Bau war die wohl wichtigste Aufgabe der Wegebaudirektion. Hier war der Sachverstand Castrops gefordert, der zu diesem Thema eine Arbeit („Projet sur la construction des chaussees“) geschrieben hatte. Danach mußte eine gute Chaussee 54 Fuß breit sein. „Davon wurden 18 Fuß gepflastert, je 12 Fuß an jeder Seite blieben als Sommerstraße liegen, und je 6 Fuß wurden für die Gräben benötigt.“ Detailliert beschrieb Castrop die Wölbung der Chaussee: Von der Mitte des Fahrdamms bis zum Rand der Gräben sollte sie um 15 Zoll abfallen. Hierdurch und durch die Anordnung der Steinbepflasterung sollte ein ungehinderter Abfluß des Regenwassers gewährleistet werden.

Den Vorteil solcher Straßen faßte Castrop mit den lakonischen Worten zusammen: „premierement les chemins en sont plus solides, en second heu elles coutes beaucoup moins“ (zum einen sind die Wege dann wesentlich stabiler, zum anderen kosten sie weitaus weniger).

Goethe teilte diese Auffassung seines Ingenieurs und betrieb den Chausseebau mit Nachdruck. Stolz konnte er 1784 melden, daß die Jenaer Chaussee „fast gänzlich hergestellt, so daß diese Straße gänzlich so, wenn selbige ganz fertig seyn wird, füglich blos durch die fleißige Aufsicht und Bearbeitung derer dazu angestellten verpflichteten und richtig instruierten Wegeknechte in guten Stand erhalten werden kann.“

Über die Erfurter Chaussee heißt in demselben Bericht:

„Durch sorgfältige Aufsicht und Bearbeitung denen zu dem Ende dazu von einem Strich zum anderen bestellten Wegeknechte und durch die getroffene Veranstaltung zu deren Befehl die Straße mit Stein-Vorrathshaufen zu versehen, wird jedoch diese zum größten Theil in gutem Stand hergestellte Chaussee, nachdem auch noch die daran vorzunehmenden Reparaturen verrichtet seyn werden, führohin ohne sonderliche Belästigung der Caße immer gangbar erhalten werden können.“

Den Chaussee-Bauten wurden die anderen Maßnahmen zum Teil untergeordnet, so daß etwa 1783 gegenüber den Ausgaben von mehr als 3479 Rthlr. für die beiden genannten Chausseen nur noch der Betrag von etwas mehr als 927 Rthlr. für die Straßen in Ilmenau und die gesamten Erfurter Obergeleitsstraßen übrig blieb.

Zu den Arbeiten am Stadtpflaster in Weimar zählte nicht nur die Pflasterung der dortigen Straßen und Gassen, sondern auch die der Chausseen in den Vorstädten und der Stadtpromenaden. Außerdem wurden die Arbeiten an den Stadttoren, an den Kanälen, Brunnen und ähnlichen Anlagen dazugerechnet. Insbesondere der Bau der Pumpen (Preßwerke) und die Anlage eines Platzes am Jakobstor hatten jedoch bereits viel Geld verschlungen, so daß für die übrigen Arbeiten keine großen Beträge mehr zur Verfügung standen. Insgesamt zog Goethe im Juni 1786 über seine Tätigkeit in der Wegebaudirektion die folgende Bilanz:

„Überhaupt seyen mir hier einige Bemerkungen über das mir gnädigst anvertraute Geschäft erlaubt. Man hat bei denen eingeschränkten Kräften der Wege-Bau-Caße sich es dennoch zum Gesetz gemacht, jährlich ein ansehnliches Stück neue Straße zu verfertigen, mit der Zeit einen Strich nach dem anderen in einen dauerhaften und leicht zu unterhaltenden guten Zustand zu setzen. Die zerstreuten (...) Flecke der Straße von Weimar nach Jena sind auf diese Weise nach und nach zusammengehängt worden und es wird in einigen Jahren solche gäntzlich vollendet werden können.

Die Erfurthische ist schon vor längerer Zeit fertig worden, allein Ew. Hochfümstl. Durchl. haben Selbst oftmals den Wunsch geäußert, daß die gefährliche Passage des Linderbachs vermieden, der Weg in der Höhe auf den Aekkern weggeführt und durch eine Brücke mit dem übrigen verbunden werden möge.

Zur Unterhaltung beyder Straßen sind Wege-Knechte angestellt, und nach einer gemachten Berechnung wird das Wege-Geld in der Folge gar wohl hinreichen, die Jenaische Straße zu unterhalten. Ebenso läßt sich hoffen, daß weil nur einmal das Wegegeld im Erfurther Thor erhoben werden wird, auch die Straße nach Erfurth dadurch wird erhalten werden können, welche Erhebung Ew. Hochfürstl. Durchl. beschleunigen zu laßen geruhen werden.

Ich schweige von dem meheren Sorgfalt, welche doch auf künftighin auf die Straße von hier nach Auerstedt zu wenden seyn wird, von den Straßen im Amt Ilmenau, Allstedt u.s.w. und glaube genug gesagt zu haben, um bemerklich zu machen, daß nach den jezigen Verhältnissen der Caße, einige Menschen-Alter nicht hinreichen werden, um etwas fruchtbarliches und ganzes hervorzubringen.“


Goethe weist dann auf den nach wie vor bestehenden Streit mit dem Erfurter Obergeleitsamt über die Anordnung und Bezahlung von Reparaturen auf den Geleitsstraßen hin und fährt fort:

„Man hält gegenwärtig Ew. Hochfürstl. Durchl. diese Betrachtungen vorzulegen für Pflicht, weil man bey Behandlung des Geschäfts einige Jahre her zu bemerken Gelegenheit gehabt, wie bey der allzu großen Disproportion der Obliegenheiten und der Einnahme sehr vieles zum Schaden verbauet werden muß und nicht immer auf das wirtschaftliche Haus gehalten werden kann. So kommt zum Exempel der Fall vor, daß schlechte Flecken liegenbleiben und die ebenan grenzenden Acker-Besitzer gegen eine kleinscheinende Vergütung die Passage über ihre Acker gehen laßen, welche Vergütung jedoch in einigen Jahren zu einem ansehnlichen Quanto hineinwächst. Desgleichen sind Fälle vorgekommen, wo man Steine, um eine Strecke Chaussee mäßig zu bearbeiten, angefahren, die Chaussee selbst aber nicht zu Stande bringen können, da denn inzwischen ein guter Theil der anfahrenden Steine in die Löcher geworfen werden mußten, um nur den Weg einiger maßen herzustellen, wodurch man aber weit von der Hauptabsicht entfernt geblieben. Anderer Vorstellenheiten nicht zu gedenken, welche allen unproportionierlichen Haußhaltungen gemein sind, wo man die Bedürfniße nicht zu rechter Zeit noch mit Rath anschaffen, das Geschäft in einer gewißen Folge und Ordnung und dadurch eine regelmäßige Behandlung manches fördern und sparen kan. Ja es ist nicht zu leugnen, daß sich ein mit diesen Dingen beschäftigtes Gemüth, wenn es so viele Mängel, ohne denselben abzuhelfen, liegen laßen mußte, an eine Art von Gleichgültigkeit gewöhnt, anstatt daß bey einem proportionierten Geschäfte die Lebhaftigkeit der Ausführung durch das Gefühl, was man getan habe und tun könnte, immer rege und lebendig erhalten wird.“


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Das Ende

Die gerade zitierte Passage aus dem letzten Rechenschaftsbericht Goethes läßt erahnen, mit welcher Bitterkeit im Herzen dieser zuletzt seine Geschäfte betrieb. Entscheidend dazu beigetragen hatte sicherlich der Tod Castrops am 20. August 1785. Goethe hatte den wichtigsten Mitarbeiter im Wegebau verloren, auf dessen Loyalität und Kenntnisse er sich stark verlassen hatte. Zwar war Castrops Nachfolger Brunnquell von Goethe protegiert worden, ein vergleichbares Vertrauensverhältnis ist aber offenbar nicht entstanden. Der ständige Mangel an Geldmitteln in der Wegebaukasse, der dazu führte, daß wichtige Vorhaben immer wieder abgebrochen oder aufgeschoben wurden, und der besonders im Vergleich mit der Verschwendungssucht des Herzogs und seines Hofes schmerzen mußte, hat erkennbar zu Goethes Amtsmüdigkeit beigetragen, zumal diese finanzielle Mißwirtschaft nicht nur beim Straßenbauetat, sondern auch in anderen Staatsdingen festzustellen war. Wie groß trotz Goethes Bemühens, „Ordnung zu schaffen“, die Probleme noch immer waren, zeigt der von Wegekommissar Brunnquell angefertigte Bericht über eine Inspektionsreise, die Herzog Carl August 1787 zusammen mit Goethes Stellvertreter im Amt des Wegebaudirektors, dem Kammerherrn Franz Ludwig von Hendrich, unternahm. Hierin wird auch deutlich, wie wenig Einsicht der Herzog in die tatsächlichen Umstände hatte, mit denen der Straßenbau fertig werden mußte:

Actum Weimar den 27ten Febr.1787.

Heute mittag ließen Serenissismus dem Hrn. Kammerherrn von Hendrich [...] [dem] in Abwesenheit des Hrn. Geheimen Rathes v. Goethe die Straßenbau-Direction übertragen, [eingefügt: anbefehlen] sich auf den Nachmittag 3 Uhr zu einer Besichtigung derer Straßen einzufinden [...]. Gegen 4 Uhr erschienen Serenissimus und geruhten, die Besichtigung der Jenaischen Chaussee vorzunehmen. Hier äußerte Serenissimus wie Höchst Dieselben mißfällig wahrgenommen, daß die Wegeknechte ihre Schuldigkeit in Beßerung der Chaussee zeithero nicht gethan, und verlangten in sehr gemeßenen Ausdrücken, Hr. Kammerherr solle bewußt sehen, daß diese Kerls nimmer von der Straße kämen, in Zukunft dürfe niemals ein Geleiß so über 1 Zoll tief entstehen, vorzüglich müßten die Wegeknechte angehalten werden zur Zeit naßer Witterung die Geleise beständig einzuhauen, so wie ein Fracht Karren über ihren District führe, sollten selbige hinter selbigen hergehen, und die eingefahrenen Geleise sogleich wieder einziehen, sogar Sonntags müßten selbige bei naßer Witterung auf der Straße anzutreffen seyn, und sollen zu ihrem beständigen Aufenthalt an der Straße kleine Häußer erbaut werden. [...] Hr. Kammerherr von Hendrich erwiderte darauf, daß Ihm die Straßen Angelegenheiten so Er (...) (in) Abwesenheit des Hrn Geh. Raths v. Goethe neu. Er glaube daß Serenissimus Höchster Wille [eingefügt: vor der Hand] nicht ganz zu erfüllen seyn dürfte, und zwar 1stens weil in dieser Gegend nichts als Kalkstein anzutreffen, so sich sehr leicht in Staub zerfahren laße, 2tens weil der größte Theil der Wegeknechte nicht so viel Gehalt habe, daß ein gewöhnlich Tagelohn herauskomme 3tens was die Finziehung der Geleise unmittelbar hinter derer Karren beträfe, so dürfte dieses um deswillen nicht ganz möglich seyn, weil die Passage nicht abriße und die Wegeknechte ohnmöglich hinter einem jeden Fuhrwerk hergehen könnten. [...] [Folgt Fortsetzung der Diskussion]

Se. Durchlaucht ließen sich von Hrn. Kammerherrn die Wegebau Disposition geben, und verwunderten Sich über das kleine quantum so nach Abzug derer ordinarorum auf den Bau und Beßerung derer Straßen übrig, sezten Dero Besichtigung bis auf die Höhe von Frankendorf fort und befahlen dem Hrn Kammerherrn nochmal ernstlich, Höchst Dero anfanglich geäußerten gnädigsten Willens Meynung gemäß die Straßenknechte und Commissarien zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten und erstere mittels schwerster Leibes Strafe hierzu anzuhalten.“


Zu diesen Problemen kam die „Disproportionalität“ der Verwaltung, die Goethes Reformvorhaben immer wieder Hindernisse in den Weg legte. Das bittere Wort in einem Brief an Charlotte v. Stein macht seine Gefühle deutlich: „Denn ich sage immer wer sich mit der Administration abgiebt, ohne regierender Herr zu seyn, der muß entweder ein Philister oder ein Schelm oder ein Narr seyn.“

Enttäuscht von seiner Weimarer Existenz, suchte der Dichter nach einem Weg, seine künstlerische Lebensform wieder aufzunehmen. Er kam auf den alten Plan einer Reise nach Italien zurück, zu der ihn schon sein Vater gedrängt, die aber wegen des Wechsels nach Weimar nicht stattgefunden hatte. Am 9. Juni 1786 unterschrieb Goethe seinen letzten Jahresbericht als Wegebaudirektor und reiste dann in den Sommerurlaub nach Karlsbad ab. Von dort fuhr er am 3. September 1786 nach Italien. Herzog Carl August hatte ihm freie Hand gegeben, ansonsten hielt Goethe den Entschluß geheim. Nach seiner Rückkehr aus Italien im Juni 1788 nahm Goethe zwar wieder seinen Platz im Geheimen Consilium ein, wurde aber nur noch bei Grundsatzangelegenheiten hinzugezogen. Die Leitung der Wegebaudirektion übernahm er nicht mehr.


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