Im Mittelalter entstanden wichtige Städte an wichtigen Verkehrswegen. Altenburg lag an der Verbindungsstrasse Magdeburg –
Halle – Leipzig – Böhmen.
Wie sich erst in den letzten Jahrzehnten der Forschung erhellt hat, ist die Entstehung der meisten (wohl nicht nur)
mitteldeutschen Städte des Mittelalters eine mehr oder weniger komplizierte Angelegenheit und nur in groben Zügen
nachzuvollziehen. Eine mehrstufige Entwicklung bis hin zur endgültigen Rechts-Stadt scheint die Regel zu sein; vor allem
größere Städte zeigen meist sehr komplexe Verhältnisse.
Und Altenburg war durchaus einst eine bemerkenswert große Stadt - im Mittelalter darf es zu den weit und breit wichtigsten
Städten gezählt werden. So stellt Manfred Kobuch, einer der wesentlichen Protagonisten der modernen Erforschung städtischer
Frühgeschichte, die Stadt in eine Reihe mit den beiden größten markmeißnischen Städten Leipzig und Freiberg. Er erhebt die
Stadt somit quasi in die Top five der mittelalterlichen Städte im heutigen Sachsen inklusive des Altenburger Landkreises.
Folgerichtig tritt sie uns auch mit einer eher schwer zu durchschauenden Frühgeschichte entgegen. Immerhin weiß man heute
nach jahrzehntelanger Forschung durchaus vieles mehr oder weniger sicher, was zu Beginn der moderneren Forschung noch
nicht bekannt war.
Der ursprüngliche Name für die Burg und auch den alten Slawengau erscheint in einigen Urkunden als Plisna oder so ähnlich;
ein Name, der von der Pleiße abgeleitet ist, sich dann auf die Stadt übertrug und noch bis ins 13. Jahrhundert hinein -zuletzt
synonym neben Altenburg - auftaucht. Altenburg liegt beiderseits der Blauen Flut dort, wo das Altenburger Lößhügelland
in die Leipziger Tieflandsbucht überleitet. Der Burgplatz überragt auch hier die Umgegend um einiges, ist aber nicht extrem
überhöht.
Nun entstanden wichtige Städte im Mittelalter nicht irgendwo, vielmehr waren wichtige Verkehrswege für die Platzwahl
ausschlaggebend. Wo Altenburg entstehen sollte, führte die wichtige Verbindung von Magdeburg weiter über Halle-Leipzig,
die dann bei Treben (dort ist im späteren 13. Jahrhundert eine Reichszollstätte bezeugt) in den Pleißengau führte, um
sodann über Zwickau - wo schon 1118 ein „böhmischer Zoll“ erscheint - eben nach Böhmen (Eger) oder Richtung Nürnberg
weiterzuführen. Nicht weit nördlich von Altenburg, bei Zschaschelwitz, „querte diesen Straßenzug ein zweiter, nach den
Zeitzer/Naumburger Bistumsheiligen Peter-und-Pauls-Straße genannter Fernhandelsweg“, der von Goslar beziehungsweise
Halberstadt/Quedlinburg weiter eben über Naumburg und Zeitz führte, um bei Windischleuba die Pleiße zu überqueren. In
Waldenburg, wo bezeichnenderweise „seit alters“ Zollfreiheit für die Altenburger Bürger überliefert ist, ließ der Verkehrszug
die Zwickauer Mulde hinter sich, um östlich derselben semita Bohemica (böhmischer Steig) genannt zu werden, was schon
andeutet, dass es dann in Richtung einer wichtigeren böhmischen Stadt, nämlich Prag, weiterging.
Die Lage der Siedlung der Dienstleute der frühmittelalterlichen Burg, Pauritz, ist trotz des bestechenden Straßennamens
direkt nördlich unterhalb des Burgberges noch nicht vollständig geklärt; in der Gegend muss sie aber gelegen haben.
Darauf wird zurückzukommen sein. Möglicherweise legte Kaiser Lothar III. unweit von dieser frühesten „städtischen“
Keimzelle um Bartholomäikirche und Brühl eine Marktsiedlung an - jedenfalls dürfte diese in die Zeit vor 1150 gehören.
Die genetische Linie Pauritz-Brühl scheint sich noch heute in dem unmittelbaren Ineinanderübergehen der entsprechenden
Straßen anzudeuten. Die Gegend bei der Nikolaikirche dürfte einen weiteren vorstädtischen Siedelkern darstellen.
Diese - zeitlich gesehen - Vor-Stadt wurde unter Friedrich Barbarossa zur endgültigen Stadt Altenburg ausgebaut und
erhielt um 1165 eine königliche Münzstätte. Das erhellt die Bedeutung, die dem Platz im Rahmen der Entstehung des
Reichsterritoriums Pleißenland (ab Ende der 1150er Jahre) beigemessen wurde. Auch dass er bereits so früh eine Mauer
erhielt, ist keineswegs selbstverständlich, blieben doch im heutigen Sachsen, dem Altenburg, was das Mittelalter betrifft,
viel näher als dem eigentlichen Thüringer Raum steht, Dutzende Städte ganz ohne Mauer. Der erste Mauerzug, der die
Brühlsiedlung beziehungsweise die darauf aufgebaute erste Stadt begrenzte, soll ausweislich archäologischer Untersuchungen
in seiner südlichen Begrenzung durch die Gegend der heutigen Häuser an der Nordseite des Marktes gegangen sein.
„Im Westen bog die erste Stadtmauer bereits knapp hinter dem Weibermarkt nach Norden ab, um beim Grundstück Haeckelstraße
14 in die jüngere Stadtmauer einzumünden.“
Grob gesehen handelte es sich bei dem ersten Altenburg also um so etwas wie das nordöstliche Viertel der späteren Kernstadt;
der Markt war nicht inbegriffen!
Schon 1192 tritt uns aber ein novum forum entgegen, womit nur der heutige Markt gemeint sein kann. Die Erweiterung
Altenburgs zur hoch- und spätmittelalterlichen Dimension war seinerzeit also zumindest schon fortgeschritten. Der nunmehr
wirklich regelmäßige Straßengrundriss ist bezeichnend für eine deutsche Plananlage. Bei dieser Ausdehnung, die vor 1200
erreicht wurde, blieb es dann; das Gebiet wurde mit einer längeren Mauer umzogen, von der heute noch Reste vorhanden sind.
Diese prosperierende Entwicklung dürfte in erster Linie dem Handelsverkehr mit Böhmen zu verdanken sein.
Ohne hier eine kleine Wirtschaftsgeschichte bieten zu können: Fest steht, dass die Getreideproduktion des Altenburger
Gebietes wegen der guten Böden schon im frühen 12. Jahrhundert erblüht war. Mit dem schon besprochenen Landesausbau wurde
sie weiter ausgebaut, wofür man einen tragfähigen Handelsplatz brauchte. Die Altenburger Stadtrechtsbestätigung von 1256
vermerkt, dass Getreide, Honig, Hopfen und Wolle auf dem hiesigen Markt nur mit Altenburger Währung gekauft werden konnten -
auch das ein Beleg, dass Altenburg, heute relativ ins Hintertreffen geraten, im Mittelalter eine Art Metropole war!
Vincenz Kaiser
Quelle: „OVZ - Heimatgeschichte“ vom 20.04.2004