Alte Straßenzüge im Kreis Apolda
Parallel zur Königsstraße zieht durch unser Apoldaer Kreisgebiet von Ost nach West eine Altstraße, die Weinstraße.
Sie ist ein sogenannter Beiweg, der in Nermsdorf (Landkreis Weimar) von der Königsstraße abzweigt und bei Hassenhausen
(Kreis Naumburg) wieder in sie einmündet. Von Nermsdorf (240 m NN) führt die Altstraße auf einer Länge von 2 km allmählich
bergauf bis auf 280 m NN. Nordwestlich von dieser Anhöhe befindet sich die Wüstung Hohendorf. Am Kilometer 3 liegt der
Schnittpunkt mit der Kupferstraße und nach weiteren ca. 0,8 km mit der heutigen Landstraße Apolda-Buttstädt. Uber den
Petersberg zieht dann der Höhenweg weiter in östlicher Richtung, der heutigen Hochspannungstrasse folgend. Zwischen dem
Pochenberg und Rannstedt überquert die Weinstraße die Fernverkehrsstraße F 87 und führt weiter bis zur heutigen Landstraße
Auerstedt-Bad Sulza. Hier in einer Höhe von 213 m NN war einst ein Abzweig in Richtung Bad Sulza, der bis zum Bau der Thüringer
Eisenbahn auch als Poststraße genutzt wurde. Der Hauptweg verläuft vom Abzweig weiter durch das Emsental über Rehehausen nach
Hassenhausen.
Die Wegstrecke der Weinstraße, die unser Apoldaer Kreisgebiet durchläuft, umfaßt ca. 21km. Außergewöhnlich für diese Altstraße
ist, dass sie auf einer Länge von 16 km keine Ortschaft berührt. Sie diente als Grenzlinie zwischen den Gemarkungen der
südlich und nördlich von ihr gelegenen Dörfer. Damit ist die Weinstraße ein sogenannter Flurgrenzweg. Ihre erste urkundliche
Nennung stammt aus dem 13. Jahrhundert. Ein Beweis für ihr höheres Alter ist, dass sich mehrere Hügelgräber aus der Zeit
des späten Neolithikum (2500-1700 v. u. Z.) in ihrer unmittelbarer Nähe befinden, so zum Beispiel der Hügel in der Flur bei
Ködderitzsch und der Hügel am Wasserwerk von Oberreißen.
Woher stammt der Name Weinstraße? Auf diese Frage gibt es mehrere Antworten. Eine der wohl am häufigsten vertretenen
Behauptungen ist die, dass sie in alter Zeit von unseren Vorfahren als Transportstraße für Weine aller Art aus dem Frankenland
oder den hiesigen Weinanbaugebieten genutzt wurde. Gewiß hat man auf dieser Straße Wein befördert, aber dass davon der Name
abzuleiten sei wie bei der Kupferstraße, ist unwahrscheinlich. Erst im hohen Mittelalter gewann der Weintransport auf
dieser Straße an Bedeutung, die schriftliche Nennung Weinstraße ist dagegen viel älter. Auch der Versuch, den Namen Weinstraße
über Weinweg als Wagenweg zu deuten, ist nicht überzeugend.
Die richtige Erklärung ergibt sich aus den Mainzer Urkunden; sie betreffen Bischof Gerhard (Oktober 1295) und Erzbischof Peter
(6. April 1318). Darin geht es um Mainzer Lehensbesitzungen in unserem Gebiet und deren Besitznahme durch die Landgrafen von
Thüringen. Hier wird diese Straße das erste Mal als „via Wintwech‘ (Wendenstraße) erwähnt. Die Änderung des slawischen
„Wirit“ in „Win“ und später in das hochdeutsche „Wein“ war nur eine Frage der Zeit. Die Weinstraße ist somit eine Straße,
die in das östlich liegende Wendenland führt. Sie gilt zwar als Beiweg der Königsstraße, aber ursprünglich zweigt sie nicht
bei Nermsdorf von ihr ab, sondern war die Weiterführung eines Markenweges aus Richtung Wermingshausen und Großbrembach.
Die geographischen Bedingungen, die den Verlauf dieses Weges bestimmen, erklären auch, dass er ständig Anlaß zu Streitigkeiten
betreffs des Verkehrs und der damit verbundenen Einnahmen gab. Trotz eines Verbotes nutzten die Fuhrleute die Straße in
beiden Richtungen, da sie schneller nach einer feuchten Witterungsperiode wieder austrocknete und durch die fehlenden
Geleitsabgaben auch billiger zu befahren war. In einem Erlaß des Kurfürsten Johann Friedrich und der Herzöge Moritz und
Johann Ernst von Sachsen aus dem Jahre 1541 wird die Benutzung der Weinstraße auf das strengste untersagt:
„Wer die Hohe Straße verläßt, verliert den fürstlichen Schutz für sich, Pferd und Wagen; und alles, was er bei sich führe
nebst Ladung zugunsten des Landesfürsten“.
Dieses Verbot wurde 1589 erneuert, und über Jahrhunderte versuchte die Landesherrschaft, dies über Kontrollen einzuhalten.
Gleich der Königsstraße geriet durch das Aufblühen der Residenzstadt Weimar auch die Weinstraße in Vergessenheit. Heute
wird sie streckenweise als Feld-und Wirtschaftsweg benutzt. Sie ist fast auf ihrer gesamten Strecke im Kreisgebiet Apolda
befahrbar. Die Weinstraße ist heute eine der besterhaltenen Altstraßen in unserer Heimat.
Thomas Waschke: in „Apoldaer Heimat, Beiträge zur Natur- und Heimatgeschichte des Kreises Apolda“, Kulturbund der DDR, Apolda 1989, S. 24-25