Hier soll auf drei fast vergessene Straßen eingegangen werden. Dazu muß man sich vergegenwärtigen, dass das Weichbild der
Stadt bis 1909 nur das Gebiet auf der linken Saaleseite umfaßte. Schon seit dem Mittelalter waren daher die Kontakte zu den
westlichen Nachbarorten ausgeprägt. Nach Magdala, Weimar und Apolda führten. stark frequentierte Verbindungsstraßen.
Da Jena im Tale liegt, mußten diese immer erst einen Höhenunterschied überwinden. Die Ausdrücke „Stieg“ und „Steiger“ künden
heute noch davon.
Der heutige „ Magdelstieg“ ist der Anfang der einstigen Verbindung nach Magdala. Der weitere Verlauf ging über die Stelle
des Waldschlößchens, an der „Latschke“ vorbei und dann in gerader Richtung. Coppanz links und Vollradisroda rechts liegen
lassend, nach Göttern und von da nach Magdala. Noch Mitte des vorigen Jahrhunderts muß die Strecke gut bekannt und begehbar
gewesen sein.
Richard Wagner, der sich 1849 in Dresden als Revolutionär gezeigt hatte und steckbrieflich gesucht wurde, floh auf ihr von
Magdala, wo er sich einige Tage im Kammergut verbergen konnte, nach Jena Heute müßte man sich wahrscheinlich mit Kornpaß,
Karte und festem Schuhwerk versehen, um diesen alten Weg wieder ausfindig zu machen.
Es gab auch den „Apoldaer Steiger“. Noch heute heißt das erste Stück dieses Verbindungsweges „Steiger“. Der Steiger begann
ehemals am „Erfurter Tor“ und führte auf die Höhe des Landgrafen. In der Nähe des Hundesportplatzes zeigen einige alte
Straßenbäume die Richtung an, aber bald verliert sich seine Spur im Gelände. Erst zwischen Closewitz und Krippendorf
finden wir ihn wieder. Von letztgenanntem Dorf aus weist die Windmühle den Weg über Hermstedt und Schöten nach Apodda.
Viele Marktfrauen waren hier früher unterwegs, den schwerer Tragkorb auf dem Rücken, hin und zurück zu Fuß!
Verhältnismäßig wenig bekannt ist die alte Streckenführung nach Weimar mit dem „Kötzschauer Steiger“. Dass die Straße durch
das Mühltal zur Zeit Goethes.gebaut wurde, wissen viele Bürger Jenas, doch ist das nicht ganz richtig. Denn als 1844 die
Strecke zwischen dem Ausgang des Schwabhäuser Grundes und Isserstedt in Angriff genommen und 15 Jahre später der letzte
Teil von da nach Kötzschau fertiggestellt wurde, weilte Goethe schon nicht mehr unter den Lebenden. Herzog Carl August
ließ aber 1818 eine ältere Stralle wieder ausbauen, die hinter dem „Schneckenberg“ vom Mühltal abzweigte und links aufwärts
um das sogenannte „Rödelholz“ herumführte. An dieser „neuen Rödelstraße“ setzte man einen der Meilensteine mit den Initialen
CA. Vom Waldrand aus verlief dieser Fahrweg durch Felder bis zum „Großen See“, einem Sumpfgebiet zwischen Isserstedt und
Großschwabhausen, an einem Wegweiser, dem „Hakenstein“. vorbei nach Kötzschau und von da nach Weimar. Goethe hat an dieser
Strecke die im Weg stehenden Felsen vorn am Schneckenberg absprengen lassen.
Der „Kötzschauer Steiger“, die Auffahrt auf diesen Berg, wurde dabei auch liquidiert. Fast 50 Jahre lang führte dort in
mehreren engen Windungen eine Fahrstraße hinauf, die oben dann den uralten Fußweg, den „Mägdesteig“ benutzte und den Waldrand
fast an derselben Stelle wie die Rödelstraße erreichte. Diese Straße hatte man 1770 angelegt, um den Weg zu verkürzen und
den sumpfigen Stellen der alten Rödelstraße auszuweichen, aber sie war unbeliebt, ja berüchtigt! Die Haarnadelkurven in
Verbindung mit dem Höhenunterschied wurden manchem Fuhrwerk zum Verhängnis. Man sprach vom „verfluchten Kötzschauer Steiger“!
So bedeutete der Straßenausbau von 1817 natürlich eine Verbesserung. Trotz der engen Verbindung zwischen Weimar und Jena
in vergangener Zeit bestanden also recht mißliche Straßenverhältnisse! Es gab auch Gasthäuser an dieser Strecke:
An der „ Mühltalperle“ stand einst die „Filzlaus“ und oben am Waldrand der „Böse Grind“. Die Namen sagen wohl alles!
1732 wurden sie von Amts wegen abgerissen.
Quelle: Ruth Kallies „Wie man einst nach Jena kam“, Thüringische Landeszeitung“, 26.07.1986