Fernwege und Besiedelung bei der Entstehung der Stadt Eisenach

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lesen Die „Nürnberger“ oder „Schmalkaldener Straße“
lesen Die "Langen Hessen"
lesen Die "Kurzen Hessen
"Diebespfade"
Die "Königsstraße"
Die Nessetalstraße
Die "Mühlhäuser Straße"
Alt-Eisenach
Oberstedtfeld, Ammera und Wegses
Metschrieden, Metzerode und Fronis
Rothenhof, Fischbach, der Hellgrafenhof
Metilstein, Wartburg
Ehrensteig
Grimmelsbach


Welche örtlichen Bedingungen waren günstige Voraussetzungen für die Herausbildung der Stadt Eisenach? Eine wesentliche Ursache war die außerordentlich günstige Lage am alten Handelswegenetz mit dem Verkehrsknotenpunkt Thüringen-West.

DieNürnberger“ oder „Schmalkaldener Straße“ mit der „Weinstraße“ führte über den Thüringer Wald, nahe an der heutigen „Hohen Sonne“ vorbei bis zum Rothenhofer Hörselübergang und weiter über Lupnitz nach Osten. Sie ging zwar östlich an Eisenach vorbei, erhielt aber schon frühzeitig Abzweigungen zum Eisenacher Stadtgebiet. Bedeutungsvoll war der Abzweig von der Weinstraße bei der sogenannten Zimmerburg, der durchs Johannistal und dem Dorf Grimmelsbach weiter entsprechend der heutigen Straßenlinie Frauenberg - Johannisplatz - Karlsplatz führte und hier eine Straßengabelung mit der Königsstraße bildete, an deren Dreieck die Kaufmannssiedlung entstand. Eine wesentliche Verkürzung und Erleichterung erfuhr diese Wegstrecke, nachdem man bald (im 13. Jh. urkundlich belegt) die Straße über den „Gehauenen Stein“ östlich der Drachenschlucht anlegte. Sie begann nahe der „Hohen Sonne“ an der Weinstraße und verlief über den Gehauenen Stein durchs Mariental bis in Höhe des Alexanderdenkmals, wo diese Straße auf den erstgenannten, namenlosen Abzweiger von der Weinstraße traf.

Die Langen Hessen“, ein uralter Krieger- und Handelsweg, war die längere Strecke von Frankfurt/Main durch Hessen unter Umgehung des Thüringer Waldes, überquerte bei Creuzburg die Werra und verlief dann über den Mosewald weiter ähnlich der heutigen Kasseler Straße. Vom Ehrensteig bis in Höhe des späteren Georgentores (= Katharinenstr.) verliefen Lange und Kurze Hessen nebeneinander.

Die Kurzen Hessen“ war die kürzere Strecke durchs Hessische vereinigte verschiedene Wege, die die Werra zwischen Berka/ Werra und Hersfeld überquert hatten, verlief weiter über Oberellen und den Hütschhof, überquerte den Thüringer Wald und den Rennsteig am Vachaer Stein und führte durch das Georgental zum Ehrensteig, wo sie sich mit der Langen Hessen traf und bis zum Georgentor parallel zur Langen Hessen östlich weiterlief. Noch älter war die Wegführung Hütschhof - Clausberg - Klosterholz - Federkopf - Ehrensteig. Wegen der steilen An- und Abstiege über den hohen Paß des Thüringer Waldes wurde dieser Teil der Kurzen Hessen auch „Hohe Straße“ genannt.

Zubringer zur Kurzen Hessen waren die Diebespfade“. Sie verliefen von Vacha über Frauensee - Wünschensuhl - Förtha oder von Vacha über Dorndorf - Marksuhl und vereinigten sich beide mit der Kurzen Hessen am Rennsteig, am „Vachaer Stein“.

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Die Königsstraße“ (lat.,, via regia“), auch „Kinzigstraße“, verlief ab Vereinigung von Langer und Kurzer Hessen über die heutige Straßenführung Katharinenstraße - westliche Georgenstraße – Alexanderstr. (also nicht über Markt und Karlstraße) - Karlsplatz - Bahnhofstraße - Rothenhof - Hörseltal weiter bis zum nächsten großen Straßenkreuz in Erfurt und von dort ins Sorbische. Weil sie bis in die sorbische Lausitz führte, wurde sie in Urkunden auch „via regia Lusatiae“ = Lausitzer Königsstraße genannt.

Die Nessetalstraße gehörte ebenfalls zu den uralten Heeres- und Handelswegen. Diese Nord-Süd-Verbindung kam aus Nordhausen und Langensalza über Lupnitz nach Eisenach am Petersberg bzw. Rothenhof und traf hier auf die Straßen nach Ost, West und Süd.

Die Mühlhäuser Straße“ war die andere Nord-Süd-Verbindung. Sie kam aus Mühlhausen über Berka v. d. H. und Mihla ins Hörseltal. Ihr Verlauf entsprach ungefähr der heutigen Mühlhäuser Straße - Werneburgstraße - Jakobsplan - Jakobsgasse, wo sie auf die Königsstraße traf.

Im Raum Eisenach befand sich der westthüringische Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen mindestens sieben alte Fernhandelswege aus allen Himmelsrichtungen zusammen. Von hier aus konnte man alle Teile Deutschlands auf Fernstraßen erreichen. Selbst die Nachbarstaaten waren mit unserem Straßennetz verbunden. Durch das Zusammentreffen der genannten Linien gab es hier in geringerer Entfernung mehrere Straßenkreuzungen bzw. Gabelungen. Die älteste war vermutlich die am Rothenhof, wo sich Weinstraße und Königsstraße kreuzten.

Wenig westlich davon, bei Alt-Eisenach, traf die Nessetalstraße auf die Königsstraße. Die Königsstraße gabelte sich am Ehrensteig in Lange und Kurze Hessen. Die Mühlhäuser Straße überquerte beim Dörfchen Ammerungen die Hörsel. Hier verlief ein Verbindungsstück zwischen Langer Hessen und Mühlhäuser Straße nördlich der Hörsel. Die Mühlhäuser traf in Höhe der Jakobsgasse auf die Königsstraße. Hier gab es höchstens eine Raststätte in einer Kemenate. Der wichtigste Knotenpunkt war das Straßendreieck am heutigen Karlsplatz. Hier trafen sich außerhalb des Überschwemmungsgebietes der Hörsel die drei bedeutendsten Fernhandelsstraßen, nämlich die aus West, Ost und Süd. Die Verbindungen nach dem Norden verliefen ganz in der Nähe. Am Platz zwischen Königsstraße und dem von der Weinstraße über Grimmelsbach kommenden Abzweiger, der Schmalkaldener Straße, trafen sich die meisten Händler, konnten tauschen und Geschäfte machen. Der günstige Aufenthalt wurde zur Rast genutzt, Pferde mußten gewechselt werden, und eine Übernachtung wurde in der Nähe gesucht. Solche Stellen wurden an der Wegstrecke nach durchschnittlich 4 - 5 Wagenstunden notwendig. Manche wollten an einem so günstigen Handelsplatz sesshaft werden. Zwischenhändler, die Fern- und Lokalhandel vermittelten, wurden an diesen Handelsplätzen gebraucht und bildeten sich heraus. Das Gelände und die wirtschaftlichen Bedingungen an diesem Straßendreieck eigneten sich sehr gut für die Anlage einer Kaufmannssiedlung.

Aber Kaufleute können nicht ohne Bauern und Handwerker, ohne Umfeld mit Dörfern und anderen Siedlungen existieren. Sie brauchen nicht nur recht viele Käufer, sondern auch Lieferanten der Lebensmittel und Handwerker für Dienstleistungen. Kaufmannssiedlungen konnten nicht losgelöst von der Umwelt als eigenständige Orte entstehen, sondern nur, wenn ganz in der Nähe schon Dörfer mit einer entfalteten Infrastruktur vorhanden waren und genutzt werden konnten.

Welche Siedlungen im heutigen Stadtgebiet gab es schon vor der Stadtentstehung?

Alt-Eisenach am Petersberg hatte sich infolge der der ständigen Kriegswirren und Plünderungen, an den Heeresstraßen gelegen, und nach einem großen Brand nicht gut entwickeln können. Etliche Bewohner haben nach dem Brand das Dorf verlassen.

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Oberstedtfeld, Ammera und Wegses waren nur kleine, unbedeutende Siedlungen geblieben, denen es kaum anders als Alt-Eisenach erging.

Metschrieden, Metzerode und Fronis waren abseits vom Fernhandel gelegene rein landwirtschaftliche Höfe.

Feudale „Edelhöfe“ und Kemenaten waren der Rothenhof, Fischbach, der Hellgrafenhof, der Vorläufer des Lussenhofes bzw. des Heiligengeisthofes, der Creuzburger- oder Hersfelder Hof, auch Hessenhaus genannt, der Hof eines Conrad Ziegenfleisches, der Ackerhof und andere Kemenaten ohne bekannte Namen.

Zwei Burgen krönten die Berge über dem Hörseltal. Der alte, kleine Metilstein war längst von der starken Wartburg abhängig.

Der Ehrensteig am westlichsten Straßenkreuz war eine kleine Hörigensiedlung der Wartburg. Die Bewohner arbeiteten voll beschäftigt auf der Burg. Unten in ihrem Ort gab es nur primitive Familienproduktion ohne Ware-Geld-Beziehung. Auch die große Armut der Hörigen ließ hier keine Kaufmannssiedlung zu.

Das Dorf Grimmelsbach bot allein die Voraussetzungen für die Entstehung einer Kaufmannssiedlung sowohl im Ort selbst als auch zusätzlich direkt neben dem Dorf. Einerseits lag Grimmelsbach am alten Weinstraßenabzweiger und andererseits in unmittelbarer Nähe des Straßendreiecks mit der Königsstraße. Es gehört zu den ältesten und größten Siedlungen in unserem Gebiet. Das Dorf erstreckte sich mit seinen Höfen, Wegen, Gärten und Feldern zwischen der heutigen Bornstraße und Domstraße, zwischen Philosophenweg, Lutherstraße, Karlsplatz und Löbergasse. Hier lebte eine größere Anzahl Bauern und Handwerker mit ihrem Lokalhandel. Solche Handelsbeziehungen bestanden sicher auch zur Wartburg und zum nahen Fernhandelsnetz. Gastlichkeit für Fremde, Versorgung von Mensch und Tier der Reisenden musste sich an Fernhandelswegen bald herausgebildet haben. Dann war die Niederlassung von Kaufleuten zuerst im Dorf, später aber vor allem gleich daneben an der Straßenkreuzung nur noch eine Frage der Zeit, abhängig von der Entfaltung der Ware-Geld-Beziehung. Vermutlich hat das Dorf Grimmelsbach als erstes einen Markt entwickelt, der am Frauenberg lag und wöchentlich am Mittwoch stattfand. Zusätzlich entwickelten sich dann erst die daneben liegende Kaufmannssiedlung vor allem der Fernhändler, deren wöchentlicher Markt auf Sonnabend gelegt wurde.

Zu den positiven Voraussetzungen und Entwicklungsbedingungen für die künftige Stadt kamen auch noch günstige natürliche Gegebenheiten:

Das Dorf Grimmelsbach und die sich daran anschließende neue Kaufmannssiedlung hatten eine bessere geographische Lage als alle anderen nahen Orte und Höfe. Grimmelsbach lag, wie alle frühen Siedlungen, zuerst nur auf der sonnigen Südseite des Pflugensberges. Die dort verlaufende Straße „Am Ofenstein“ soll ihren Namen vom Abendsonnenschein und der behaglichen Wärme haben, die der Fels zurückstrahlte. Der Ort dehnte sich im Laufe seiner langen Geschichte allmählich nach Westen (heute Frauenplan) und mit seinen Gärten und wenigen Feldern nach Norden aus. Trotz seiner wachsenden Größe lag Grimmelsbach relativ geschützt in einer Tallage. Die Berge herum schützten vor den Unbilden des Wetters, aber auch vor den Blicken der im Hörseltal oft durchziehenden Kriegsleute.

Das Dorf lag im Tal des Grimmels-, des Marien- und Löbersbaches. Wasser war also genügend vorhanden. Am nördlichen Ortsrand flossen diese vereinten Gewässer durch die neue Kaufmannssiedlung weiter in Richtung Hörsel. Der Löbersbach hat seinen Namen von den daran wohnenden und Leder zubereitenden Lohgerbern. Ihre Häuserreihen ergaben die Löbersstraße und Löbersgasse. Vermutlich waren sie schon Teil des Dorfes Grimmelsbach, bestimmt aber auch der Kaufmannssiedlung. Die Fuhrwerke und Geschirre der Pferde und anderer Zugtiere wären ohne Leder nicht denkbar. Und auch die Reisenden bevorzugten Kleidung aus Leder.

Die Kaufmannssiedlung lag ebenfalls günstig westlich des Pflugensberges, der vor den kalten Ostwinden schützte. Die Überschwemmungszone der Hörsel, in der alle anderen genannten Orte und Kemenaten lagen und die oft unter dem das ganze breite Tal erfassende Wasser von Hörsel und Nesse zu leiden hatten, endete in Höhe der heutigen Nikolaikirche. An ihrer Stelle befand sich damals ein kleiner natürlicher Hügel, und mitten auf dem heutigen Karlsplatz gab es ebenfalls eine kleine Erhebung, um die der Löbersbach herumfloß. Sie boten bei Überschwemmungen der Flüsse oder bei stärkerem Wasserzulauf aus den Bergen eine gewisse Sicherheit. Bestimmt war auch das einer der Gründe, dass gerade an dieser Stelle sich öfter Händler ansammeln mussten, um auf den Abzug des Hochwassers zu warten.

Die feuchten und grasreichen Randgebiete der Überschwemmungszonen dienten der Viehwirtschaft. Dazu kam die Weide der Tiere in den Bergtälern und sogar auf den noch baumlosen Berghängen und -kuppen. Viele noch erhaltene alte Flurbezeichnungen um das heutige Eisenaeh erinnern an solche Weideplätze, die oft nur für eine bestimmte Tierart bevorzugt wurden, wie z. B. die „Milchkammer“, der „Kälbergrund“, die „Hut“ oder die „Viehburg“. Der Wald auf den Thüringer Bergen, ein von der Natur geschaffener Eichen-Buchen-Linden-Mischurwald, reichte von den Höhen hinunter bis ungefähr in die Nähe der Sängerwiese. Er hat mit seinem reichen Holz-, Pflanzen- und Wildangebot eine notwendige natürliche Entwicklungsbedingung für den Stadtbau bedeutet.

Wie alle früheren Orte war auch die Stadt von der Wasserzufuhr abhängig. Der Löbersbach hätte dazu nicht ausgereicht. Hörsel und Nesse waren von ausschlaggebender biologischer und ökonomischer Bedeutung. Einerseits lieferten sie das lebensspendende Wasser für Pflanzen, Tiere und Menschen, nicht nur für den Fischfang. Andererseits waren diese früher viel wasserreicheren Flüsse durch Kähne und Boote beschiffbar und damit nicht zu unterschätzende Verkehrsadern. Zudem friert die Nesse nicht zu und kann ganzjährig genutzt werden. Das war auch außerordentlich wichtig für die ersten Mühlen. Das Dorf Eisenach am Petersberg hatte seine Walkmühle für die Tuchmacher an der Nesse. Bestimmt gab es dort auch heute unbekannte Mahlmühlen, um Mehl herzustellen. Die „Mylabrücke“ (Mühlenbrücke) über die Nesse weist darauf hin. Ammera lag am „Amriehen Wasser“ der Hörsel. Hörsel und Nesse flossen in vielen Windungen nebeneinander im Tal und vereinigten sich erst hinter der Spicke. In der Nähe der Amrichen Brücke existierten ebenfalls eine Walk- und verschiedene Mahlmühlen. Alle diese Mühlen dienten stets auch den Einwohnern benachbarter Orte und damit ebenfalls der künftigen Stadt. Die kleinen Ansiedlungen lagen nur an kleinen Gewässern wie Roter Bach oder Michelsbach, wo das Wasser für einen Mühlenbetrieb nicht ausreichte. Das galt auch für den Grimmelsbach, wo keine Mühle bekannt ist.

Für die Stadtwerdung war es wichtig, dass genügend Wasser durch künstliche Gräben und Kanäle bis an die neue Kaufmannssiedlung herangeführt werden konnte. Damit stand dann saubereres Trinkwasser als das des Löbersbaches zur Verfügung, eigene Stadtmühlen konnten errichtet werden und die späteren Wallgräben boten durch Wasserfüllung einen besseren Schutz.

Quelle: Felix Humberg: Chronik der Wartburgstadt Eisenach und ihrer Umgebung, Teil 2, Eisenach 1982

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