Es lag in der Natur der alten Straßen, dass deren mehr vorhanden waren, als das noch gegenwärtig der Fall ist.
Viele kamen schon in früher Zeit außer Gebrauch. Je nachdem der Handel einzelner Orte ab- oder zunahm, wurden
Straßen verlassen oder belebter. Auch zu hohe Zölle, Unsicherheit, Krieg etc. bewirkten nicht selten, dass die
Reisenden andere Wege einschlugen, sobald jedoch die Ursache behoben, schlug der Verkehr sich gewöhnlich wieder
in die alte Richtung zurück.
Dass man auch schon in älterer Zeit die Straßen als die Lebensadern des Volksverkehrs betrachtete, dafür gibt nichts
einen so anschaulichen Beweis, als die Tatsache, dass wenn nicht alle, doch die meisten Städte, welche seit dem
dreizehnten Jahrhundert entstanden, entweder auf oder an alten Straßen angelegt sind. Selbst von vielen zumal fürstlichen Burgen
läßt sich dasselbe nachweisen. Da alle jene Städte zugleich Festen waren, ähnlich den Burgen auf den Höhen, nur größer und
stärker als diese, so gewann das Land dadurch nicht nur einen größeren Schirm gegen feindliche Einfälle, sondern auch die
Straßen insbesondere wurden sicherer. Darum lag es denn auch in dem Interesse der Landesherren, das Aufkommen dieser
neuen Anlagen auf alle Weise zu fördern.
Man war bemüht, denselben vorzugsweise dem Handelsverkehr zuzuwenden und verbot zu diesem Zwecke den Gebrauch aller
derjenigen Straßen, welche die Städte zur Seite ließen und es entstand dadurch der Straßenzwang.
Lediglich um die Einkünfte vom Zoll und Geleite zu mehren, suchten die Landesherrschaften die Reisenden so lange als möglich
im Lande festzuhalten und verboten zu diesem Zwecke alle Straßen, welche von da ab durch das Ausland zu demselben Ziele
führten, mochten diese auch näher und besser sein.
Um sich von diesem Drucke zu befreien, blieb den größeren Handelsstädten zuletzt kein anderes Mittel, als sich Privilegien
zu verschaffen, durch welche sie dieses Zwanges enthoben wurden.
Alle öffentlichen Straßen standen unter dem Königsbanne und dem öffentlichen Frieden und darum eben wurden sie Reichs- und
Königstraßen genannt, und zu den Regalien gezählt. Wie andere Regalien, so konnten auch die Reichsstraßen nur durch kaiserliche
Belehnung in die Hände eines Reichstandes übergehen, behielten aber auch dann unverändert ihre Natur als Reichsstraßen.
Da Jeder, der sie wanderte, unter dem Land- oder dem Königsfrieden stand, so waren die Inhaber der Straßen verpflichtet, für
die Sicherheit der Reisenden Sorge zu tragen. So entstand schon frühe das Geleit, was mit dem Besitze der Straße darum auch
identisch war, indem die Belehnung mit dem Geleite das Recht an der Straße in sich schloß.
Dasselbe wurde dadurch geübt, dass der Geleitsherr durch die Aufstellung von Bewaffneten für die Sicherheit der Reisenden
sorgte; anfänglich, wie es scheint, ohne Entgelt, denn dafür waren ebenwohl die Zölle bestimmt. Geschahe dessen ungeachtet
Straßenraub, so war der Geleitsherr verpflichtet, den dadurch veranlaßten Schaden zu ersetzen.
Die Königsstraße stand Jedermann offen und Jedermann stand es frei, ein Geleite zu begehren.
Natürlich gewährte man denen, welche kein Geleite genommen, auch keinerlei Schadenersatz, zumal aber dann nicht, wenn sie
die Hauptstraße verlassen hatten.
Zu dem Geleitsgeld gesellte sich indessen bald auch noch die Unterhaltung der bewaffneten Geleitsreiter und für den einzelnen
Reisenden wurde deshalb das Geleit beinahe eine Unmöglichkeit. Man half sich deshalb dadurch, dass man einfach Geleitsbriefe
ausstellte, kleine Zettel, und dafür eine bestimmte Abgabe erhob. Dies führte zu der Unterscheidung des Geleites in ein lebendiges
und in ein totes.
Es erwuchs daraus bald eine reiche Quelle für die herrschaftlichen Einnahmen und da man diese später nicht wieder entbehren mochte,
kam man endlich dahin, jeden zu zwingen, das Geleite zu kaufen.
So notwendig und wohltätig an und für sich das Geleite war, so wurde es doch dadurch, dass man es endlich zu einer Finanzerei
machte, eine ebenso große Last für den Handel und erschwerte denselben beinahe in nicht mindern Grade als die Unsicherheit
der Straßen, welche es beseitigen sollte, wozu die zahl- und endlosen Streitigkeiten noch kamen, welche sich zwischen den
einzelnen Geleitsherren entspannen.
Von Eisenach ging man auf zwei Straßen nach Leipzig. Die eine, die Oberstraße genannt, lief zwischen Fischbach und Eichrodt, die von der Hohensonne kommende Bacher Straße aufnehmend, an der Hörsel und von Teutleben an der Asse hinauf bis Gotha, wo die über den Thüringerwald kommenden Straßen in sie mündeten, und weiter über Erfurt, Buttelstadt, Eckardsberge, Naumburg und Weißenfels, welches schon 1076 für alle aus- und eingehenden Waren eine Zollbefreiung erhielt nach Leipzig. Von Erfurt führte eine südlichere Straße nach Weimar, von hier eine Zwischenstraße nach Naumburg in jene Hauptstraße sendend und weiter über Altenburg nach Dresden.
Die andere Straße zog von Eisenach über Stockhausen nach Großlupnitz, wo sie sich mit der über Hohensonne kommenden vereinigte
und dann weiter über Großhehringen, Reichenbach und Uffhofen nach Langensalza, und über Trennstadt, Weißensee und Kölleda
nach Eckardsberge, wo sie mit der über Gotha ziehenden Straße zusammenstieß.
Die älteste Quelle, welche uns über Straßen in der Richtung über den Untermain und Thüringen nähere Nachricht gibt, ist
die Lebensbeschreibung des Mönches Sturm. Als Sturm nämlich im Jahre 736 an der Fulda herauf in den Buchenwald zog, um eine
zur Anlegung eines Klosters geeignete Stätte zu suchen, fand er bereits eine über die Fulda führende Straße, auf welcher die
Kaufleute aus Thüringen nach Mainz zogen.
Quelle: Georg Landau: Beiträge zur Geschichte der alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1856 (Bärenreiter-Verlag, Kassel und Basel 1958 )